Neuer Akt im Brexit-Drama: Ein Leitfaden

Kommt ein zweites landesweites Votum?
Kommt ein zweites landesweites Votum?(c) Reuters
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May hat zwar in ihrer Partei das Vertrauensvotum gewonnen - doch die nächsten Hürden stehen bereits bevor: Szenarien zu den nächsten Brexit-Etappen.

Theresa May hat es erneut geschafft und in den Brexit-Turbulenzen einen Etappensieg errungen: Nach der gestrigen Vertrauensbstimmung ist zumindest in ihrer konservativen Partei der Job als britische Premierministerin und Parteichefin gesichert, die Tories dürfen nun - laut interner Regeln - für ein Jahr nicht mehr ihre Chefin in Frage stellen.

Doch die nächsten Hürden im Zusammenhang mit dem chaotischen EU-Austrittsplänen Großbritanniens stehen bereits bevor: Bis 21. Jänner muss das britische Parlament über den Brexit-Deal zwischen Brüssel und London abstimmen - eine Mehrheit ist derzeit dagegen. Heute muss sich May Hilfe aus Brüssel holen: Der EU-Gipfel beschäftigt sich erneut mit den britischen Austrittsplänen. Die Staats- und Regierungschefs wollen dazu beitragen, dass der fertige EU-Austrittsvertrag eine Mehrheit im britischen Parlament findet und eine chaotische Trennung Ende März vermieden wird.

Obwohl Brüssel mehrmals deutlich machte, dass der Deal nicht nocheinmal aufgeschnürt wird, zeigte man sich bereits vor Gipfelbeginn zu Konzessionen bereit: So gibt es laut Medienberichten die Bereitschaft zu Garantien beim "Backstop"  - der  umstrittenen Notfalllösung zur Grenzfrage zwischen Irland und Nordirland. Er sieht vor, dass entweder Nordirland oder ganz Großbritannien bis auf weiteres in einer Zollunion mit der EU verbleiben. Die Briten müssten entweder Grenzkontrollen zu Nordirland einführen oder selbst weiterhin alle EU-Regeln für Waren und Handel befolgen. Dieser Punkt sorgt für die größten Widerstände in Großbritannien. Mehr als eine politische Erklärung dazu, darf May aber nicht erwarten.

Wie geht es nun weiter?

Hat May nun die notwendige innenpolitische Rückendeckung für ihren Brexit-Plan?

Nein. Aussgelöst wurde der Aufstand durch den Streit über das Brexit-Abkommen, das die Unterhändler Großbritanniens und der EU in Brüssel ausgehandelt hatten. Die Brexit-Hardliner befürchten, dass Großbritannien durch das Abkommen dauerhaft eng an die Europäische Union gebunden wird, Grund ist die vereinbarte offenen Grenze zwischen Nordirland und Irland. Bis zum 21. Jänner muss das britische Parlament abstimmen, eine Mehrheit ist nicht in Sicht. In weniger als vier Monaten - am 29. März - will Großbritannien aus der Staatengemeinschaft ausscheiden. 

Wird Brüssel May einen neuen Deal vorschlagen?

Alle EU-Granden haben bereits deutlich gemacht, dass es keine neue Verhandlungen über einen Brexit-Vertrag geben werde.  Dieser wurde von den EU-Staats- und Regierungschefs bereits abgesegnet. Zu erwarten sind höchstens Konzessionen, wie etwa Garantien beim Backstop: Brüssel könnte den Backstop zeitlich befristen und eventuell auch ein Datum nennen.

Kommt es also doch zum Hard-Brexit Ende März?

Für May wird es eng: Sie hat nur wenige Wochen Zeit, die Abgeordneten von ihrem Brexit-Deal zu überzeugen. Sie könnte die harte Methode wählen und die Parlamentarier auf ihre Seite ziehen - indem sie sie unter Druck setzt: Möglich wäre das durch die Ankündigung radikaler Maßnahmen, die auf einen harten Brexit vorbereiten - und die Märkte in Panik geraten lassen. Denn ohne Deal steht Großbritannien nach dem 29. März (und im Vorfeld) eine wirtschaftliche Katastrophe bevor: Ohne rechtliche Vereinbarungen zur Zukunft der Handelsbeziehungen mit der EU drohen Engpässe in allen Bereichen - von Lebensmitteln bis hin zu Medikamenten. Nervöse Märkte könnten die britische Währung, das Pfund zum Absturz bringen. Angesichts dieser Horror-Szenarien beim Hard-Brexit ist es wahrscheinlich, dass das Parlament alles daran setzen wird, einen "No-Deal" zu vermeiden.

Also doch irgendein Deal?

Möglich ist, dass es letztendlich doch grünes Licht für einen Deal mit der EU geben wird. Einige Beobachter erwarten sogar, dass das Kabinett  noch einen weicheren Brexit-Kurs vorschlagen wird, um sich die Zustimmung des Parlaments - in diesem Fall der Labour-Stimmen - bei der Abstimmung zu sichern.

Wie sicher ist Mays Jobs als Premierministerin überhaupt?

Nicht besonders sicher. Die Möglichkeit besteht weiterhin, dass die oppositionelle Labour-Party im Parlament einen Misstrauensantrag stellt und May stürzt. Derzeit ist die Opposition aber eher zögerlich. Oder aber May tritt angesichts des steigenden Drucks selbst zurück und ruft Neuwahlen aus. Das Szenario Neuwahl würde den Weg dafür ebnen, dass der Brexit verschoben - oder vielleicht überhaupt auf Eis gelegt wird. Ein Problem: Alle EU-Länder müssten einer Verschiebung des Brexit-Termins zustimmen.

Wie wahrscheinlich ist ein zweiten Brexit-Referendum?

Dieses Szenario eines "Exit aus dem Brexit" wurde zuletzt immer wieder kolpotiert, denn angesichts des Chaos und der ungewissen Zukunft Großbritanniens könnte die Stimmung im Land gekippt sein: Die britischen Gewerkschaften etwa, die 2016 großteils für den Brexit Stimmung gemacht hatten, sind nun dagegen. Für ein neues Referendum gibt es derzeit allerdings keine Mehrheit im Parlament, das könnte sich aber ändern. Einige Beobachter sehen das Exit-aus-dem-Brexit-Szenario aber vor allem als kontinentales Wunschdenken: Ein neues Referendum würde das gesamte politische System Großbritanniens unglaubwürdig erscheinen lassen. Zudem ist nicht klar, welche Frage bei einem neuen Referendum wirklich gestellt werden sollte.

(basta)

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