"Peinlicher" Entwurf zur Mindestsicherung: Wien hat 13 Fragen an Hartinger-Klein

NATIONALRATSSITZUNG MIT AKTUELLER STUNDE: HARTINGER-KLEIN
NATIONALRATSSITZUNG MIT AKTUELLER STUNDE: HARTINGER-KLEINAPA/HERBERT NEUBAUER
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Im Vorfeld eines Treffen mit der Sozialministerin bezeichnet der Wiener Sozialstadtrat Peter Hacker den Gesetzesentwurf als "untauglich" und verweist auf Parallelen zum Dritten Reich. Die Grünen orten eine "Bestrafung" von Kindern und Familien.

Rot-Grün in Wien lässt weiter kein gutes Haar an der geplanten Neuregelung der Mindestsicherung - nicht zuletzt, weil grundlegende Fragen unklar seien, wie Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) am Donnerstag beklagte. Bei einem für morgen, Freitag, angesetzten Treffen der Landessozialreferenten mit Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) wird nun um Aufklärung ersucht.

Insgesamt 13 Punkte wird Wien ansprechen, wie es hieß. Unter anderem möchte die Stadt Antworten auf die Frage, was es bedeute, dass mit dem Gesetz auch fremdenpolizeiliche Ziele verfolgt werden. Verwiesen wird auch darauf, dass es neben der Mindestsicherung eine Vielzahl weiterer Unterstützungsmaßnahmen des Bundes und der Länder gibt. Mietbeihilfen, Sozialpässe oder der Gratiskindergarten werden hier ins Treffen geführt: "Sind diese Leistungen in den vorgesehenen Maximalbeträgen bereits inkludiert?"

Der Gesetzesentwurf sehe auch massive Leistungskürzungen bei kinderreichen Familien vor: "Ab dem 3. Kind sollen nur mehr 43 Euro pro Monat ausbezahlt werden." Diese Höchstsätze seien zu niedrig, um den konkreten Bedarf abzudecken: "Welche Maßnahmen sollen gesetzt werden, wenn es in solchen Familien zu sozialen Notlagen kommt? Wie soll die strukturelle Benachteiligung dieser Kinder vermieden werden?"

Kritisiert wird auch, dass nicht alle Alleinerzieherinnen und -erzieher durch das neue Modell bessergestellt werden: "Warum soll etwa eine Mutter mit einem minderjährigen und einem volljährigen Kind keinen AlleinerzieherInnen-Bonus erhalten?" Gerätselt wird auch über die "guten Deutschkenntnisse", die Voraussetzung für den Bezug der vollen Leistung sind: "Wer soll künftig die Deutschkurse überprüfen? Auf Grundlage welcher Qualitätsrichtlinien? Wer in der Bundesregierung wird die notwendigen Deutschkurse organisieren, wenn es nicht Aufgabe des AMS ist? Wie sollen geflüchtete Personen das geforderte Niveau erreichen, wenn Deutschkurse und Qualifizierungsmaßnahmen beim AMS gekürzt werden?"

Hacker: Abfrage der Herkunft nur im Dritten Reich

Im Fragenkatalog wird auch die Relevanz bezweifelt, zu erheben, ob ein Elternteil eines Mindestsicherungsbeziehers nicht in Österreich geboren wurde: "In welche Datenbank sollen diese Daten eingespielt werden?" Eine entsprechende systematische Abfrage einer Behörde wurde zuletzt im Dritten Reich durchgeführt, konstatierte Hacker.

Weiters erkundigt sich Wien nach dem "Arbeitsqualifizierungsbonus". Dieser sei ein realer Abzug: "Wird auch Personen, die pflegebedürftig sind und keinen Pflichtschulabschluss haben, dieser Bonus abgezogen?" Leistungen der Sozialhilfe sollten weiters an die "dauerhafte Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft" geknüpft werden. Wien möchte Auskunft darüber, wie diese Bereitschaft für die Behörde zu prüfen sei - "insbesondere unter Berücksichtigung der bereits in Umsetzung befindlichen Segmentierung von Arbeitslosen durch das AMS".

"Mit diesem Gesetzesentwurf schafft die Bundesregierung das unterste soziale Netz ab", kritisierte Hacker. Der Systembruch geschehe entweder in "brutaler Absicht" oder aus Unwissenheit. Hacker ortete auch ein "Aufblähen der Bürokratie". Der Entwurf sei "untauglich", was für ein sogenanntes Grundgesetz "peinlich" sei.

Grüne: "Bestrafung" von Kindern

Auch die künftige Spitzenkandidatin der Wiener Grünen, Birgit Hebein, wetterte gegen die Neuregelung. "Der neue Gesetzesentwurf verletzt viele demokratische Grundsätze wie etwa die Kinderrechtskonvention oder die Grundsätze von Bundesverfassung und Europäischer Union", hieß es in einer Mitteilung. Angebliche Familienparteien würden Geld für Familien kürzen, wobei Hebein von einer "Bestrafung" von Kindern und Ehepaaren sprach.

"Mit diesem absurden Vorschlag ist es möglich, dass Menschen gerade einmal ein Viertel dessen erhalten, was die absolute Untergrenze zum Führen eines menschenwürdigen Lebens ist. Die Kürzungen werden alle treffen - besonders hart Familien, Kinder und Jugendliche", kritisierte die Grün-Politikerin. Die Regierung, so befand sie, schaffe die sozialen und gesellschaftlichen Probleme von morgen.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat zuletzt die Kürzungen etwa bei den Familien verteidigt. Von Kinderarmut könne man nicht sprechen, beteuerte sie.

(APA)

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