Alexander Gottfarb: Täglich acht Stunden geöffnet

Acht Stunden Tanz. Alexander Gottfarb lässt seine Tänzer verhandeln.
Acht Stunden Tanz. Alexander Gottfarb lässt seine Tänzer verhandeln.(c) die Presse (Carolina Frank)
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Der Tänzer und Choreograf Alexander Gottfarb hat mit 13 Tänzern ein Mammutprojekt verwirklicht.

Jeden Tag eine Premiere, oder zwei oder vier. Durch die großen Fenster kann jeder zuschauen, flüchtig im Vorbeieilen, sich drinnen auf die tiefe Fensterbank setzen, selbst zum Objekt werden für die Passanten in der Neustiftgasse. „Negotiations/Verhandlungen" nennt der Tänzer Alexander Gottfarb die Choreografie für ein ganzes Jahr. Ein Arbeitsjahr, ohne Feiertag, auch Tanz ist Arbeit. Schwerarbeit von 14 Tänzern, zu denen auch Gottfarb zählt und die alternierend im leeren Gassenlokal auftreten, ein Jahr lang, acht Stunden am Tag, Permanentperformance, täglich Premiere.

„Repetition and Transformation/Wiederholung und Veränderung" hat Gottfarb als Partitur vorgegeben. „Ich habe nicht vorgeschrieben, was sein soll, wir haben nur besprochen, was sein könnte und dass jede Bewegung wiederholt werden muss und sich langsam verändern soll. Drei Wochen haben wir geprobt und die unterschiedlichen Parameter diskutiert. Bei jedem Auftritt entsteht eine neue Choreografie." Seit 27. Jänner ist das kleine Lokal in der Neustiftgasse 31, von tqw-Chefin Bettina Kogler als Filiale adoptiert, täglich geöffnet. Am 26.  Jänner 2019 ist Schluss.

„Negotiations/Verhandlungen" gibt es mehrfach: „Die Tänzer müssen jedes Mal mit sich selbst verhandeln, ‚Wo stehe ich jetzt, wo gehe ich hin?‘. Oft sind auch zwei Leute da, dann entsteht die Verhandlung zwischen zwei Personen. Die dritte Ebene der Verhandlungen entsteht zwischen Performerinnen und Zuschauern. Der Raum ist offen, der Eintritt frei. Manchmal sind die Leute laut, manche wollen sogar mittanzen. Solange sie nicht stören, ist auch das möglich."

Täglich neu. Tatsächlich ist die Nähe der Zuschauer zu den Tänzern im kleinen Zimmer ungewohnt und animiert, zumindest die Armbewegungen nachzumachen. Die Freiheit des Kommens und Gehens nach Belieben schafft ein neues Erleben des Zuschauens. Schnell ist man Teil des Rituals, den Arbeitenden ganz nah, eine geradezu innige Beziehung baut sich auf. Wer selbst die passende Länge einer Performance bestimmt, kennt keine Langeweile. Freundliche Hostessen beobachten, greifen ein, falls ein Betrunkener ins Zentrum torkelt, machen eine Stricherlliste der Zuschauer im Raum und vor den Fenstern. Gottfarb ist mit der Aufmerksamkeit zufrieden: Auch bei unangenehmem Wetter kommen Leute, manche jeden Tag, nach der Arbeit." Auch eine Art von Verhandlung: Der Alltag derer von außen vermischt sich mit dem Alltag der Tänzerinnen drinnen. „Dass wir nicht mehr im abgeschlossenen Raum mit beschränktem Zugang sind, ist auch für uns eine neue Erfahrung." Wir, das sind nicht nur die Performer, sondern auch der Tänzer Raul Maia, die Tänzerin Sophie Augot und Dramaturg Guy Cools, die mit Gottfarb unter dem schützenden Dach des tqw das Projekt durchdacht und entwickelt haben.

Die Vorbereitungszeit für das außergewöhnliche Projekt war entsprechend lang. „Allein für das Finden eines passenden Raumes und das Verhandeln des Mietvertrags hat die Produktionsassistentin sechs Monate gebraucht." Schon 2015 ist der Gedanke an das Monsterprojekt aufgeblitzt. „Da war Bettina Kogler im WUK und ich durfte ‚A Matter of Belief‘, ein 72-Stunden-Solo, machen, das auch beim ImPulsTanz-Festival gezeigt worden ist. Tanzen, schlafen, essen, alles öffentlich. Ich dachte damals: Das ist das Beste, was du gemacht hast, ein Endpunkt. Aber wie es so kommt, es war der Punkt für einen neuen Anfang." Dramaturg Guy Cools setzte das richtige Signal: „Lass das Überflüssige weg, konzentriere dich auf das Notwendige." „Negotiations" als die Essenz einer Performance. Täglich neu.

Tipp

„Negotiations", Tanz-Performance täglich von 10 bis 18 Uhr, Neustiftgasse 31, 1070. Bis 26. 1. 2017. www.tqw.at

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