Wie beschädigt ist Theresa May?

Theresa May.
Theresa May. (c) REUTERS (PIROSCHKA VAN DE WOUW)
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Die britische Premierministerin will zwar weitermachen – und das unermüdlich. Aber wird man einer Politikerin mit Ablaufdatum noch vertrauen können?

London. Der Preis für die Schlagzeile des Tages ging am Donnerstag an den „Daily Mirror“: „Diese Weihnachten gibt es lahme Ente“, titelte die Zeitung zu einem Bild von Premierministerin Theresa May, nachdem diese Mittwochabend eine Vertrauensabstimmung in ihrer eigenen Fraktion überstanden hatte. Nicht nur fiel der Sieg Mays wesentlich schmäler aus, als ihr angenehm sein konnte, erschwerend kam hinzu, dass sie sich offenbar gezwungen sah, ihren Gegnern als Zugeständnis zu versprechen, die Konservativen nicht mehr in die nächste Parlamentswahl führen zu wollen. Die findet spätestens 2022 statt.

May, die am Tag nach der Abstimmung frühmorgens nach Brüssel eilte (Eurostar um sechs Uhr 35), um die Verhandlungen mit den EU-Regierungschefs über Zusicherungen und Zugeständnisse zum Brexit-Vertrag weiterzuführen (siehe oben), ist nach den Ereignissen vom Mittwochabend nur mehr beschränkt handlungsfähig. Das Ergebnis von 117 Gegenstimmen von insgesamt 317 Abgeordneten bedeutet, dass mehr als ein Drittel ihrer Fraktion kein Vertrauen mehr zu ihr hat. Zudem wird die Ankündigung ihres Rückzugs sie zu einer „lame duck“ reduzieren. Können also die EU-Partner darauf vertrauen, dass ein weiterer Deal mit ihr überhaupt Bestand hat? Wohl kaum.

Autoritätsverlust

Dass der Autoritätsverlust unaufhaltsam ist, zeichnete sich schon am Donnerstag ab. Ihr ehemaliger Brexit-Minister Dominic Raab – ein Mann, der in der Hierarchie klar unter May steht – fühlte sich bereits stark genug zu erklären: „Es ist schwer zu erkennen, wie sie jetzt noch Premierministerin bleiben kann.“ Spätestens mit dem Vollzug des Brexit wird es wohl heißen: May hat ihre Schuldigkeit getan, jetzt kann sie gehen.

Welche Art des EU-Austritts in Großbritannien letztlich gewählt wird, blieb auch nach der Bestätigung von May völlig offen. Das Abstimmungsergebnis unter den Tories zeigte allerdings einmal mehr, dass es weder für einen sanften noch für einen harten Brexit eine Mehrheit im Unterhaus gibt. Diesen toten Punkt kann die Premierministerin nur überwinden, wenn sie beginnt, Allianzen zu schmieden und über Parteigrenzen hinaus Verbündete sucht. Sie hat dies aber 30 Monate lang nicht getan, und obwohl sie in ihrer kurzen Dankesrede Mittwochabend in diese Richtung erstmals Signale sandte, bleibt es unwahrscheinlich, dass ihr das nun in letzter Sekunde gelingt.

Eine helfende Hand wurde ihr gestern von unerwarteter Seite gereicht. John McDonell, zweiter Mann in der Labour Party und immer mehr deren Stimme der Vernunft, überraschte mit der Aussage: „Wir haben immer gesagt, dass wir offen sind für einen Kompromiss. Hier geht es nicht um Parteipolitik, sondern um die Zukunft unseres Landes.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2018)

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