Von Volkswagen versprochen, von Kia geliefert

Geräumiger Elektro-Cross-over mit 2,7 Metern Radstand, der mit großem Akkupaket bis 455 km weit kommt: Kia E-Niro.
Geräumiger Elektro-Cross-over mit 2,7 Metern Radstand, der mit großem Akkupaket bis 455 km weit kommt: Kia E-Niro.(c) Gilberto Comelli
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Erste Ausfahrt mit 204 PS und ganz ohne Reichweitenangst: Kia tritt mit dem elektrischen Cross-over E-Niro in Vorlage.

Mit Wundern ist nicht zu rechnen; Alchemisten, die das Wesen der kleinen Zellen in den Akkus besonders gut verstehen, schlagen mit schlauem Batteriemanagement da und dort ein paar Prozent zur Konkurrenz raus. Aber im Grunde funktionieren Elektroautos wie Wurst kaufen: Was es wiegt, das hat's. Am Beispiel des neuen Kia E-Niro: Die Grundversion mit 39,2-kWh-Akku und 289 km Normreichweite kostet 36.690 Euro. Wenn Kia ein paar Stacks dazupackt – der Raum dafür ist bereits vorhanden –, erhöht das die Kapazität um 24,8 kWh, die Normreichweite um 166 Kilometer, das Fahrzeuggewicht um 140 Kilogramm und den Kaufpreis um 4400 Euro. Plus Power-Bonus von 88 PS.

Innenansicht.
Innenansicht. (c) Gilberto Comelli

Skaleneffekte werden in den nächsten Jahren Kostenverbesserungen bringen, aber so ungefähr bleibt der technische Spielraum der Hersteller. Wer wie Tesla gleich 100 kWh in den Unterboden packt oder wie Jaguar einen zweiten Motor für Allradantrieb, landet unweigerlich in den entsprechenden Preis-, Größen- und Gewichtsregionen. Alles andere darf dagegen bunt ausgemalt werden.

Elektro, nicht billig

Kia hat sich zunächst entschieden, früh in den Ring zu steigen. Der E-Niro wird ab Jänner ausgeliefert, somit ein gutes Jahr, bevor sich materialisieren wird, womit Volkswagen in die Schlacht zieht.

Ein Billigelektroauto ist es nicht geworden, wohl vernünftig, denn die Masse der Laternenparker – ohne eigenes Haus mit Carport oder Garage für eine Wallbox – wird noch länger dankend ablehnen. Elektro und billig verträgt sich sowieso nicht gut.

Der E-Niro ist ein knapp 4,4 Meter langer Cross-over mit stolzen 2,7 Metern Radstand. Was großzügige Raumverhältnisse andeutet, hält sogar, wenn drei Erwachsene im Fond Platz nehmen. Wir fuhren die Long-Range-Variante, bei der ein 64-kWh-Akku mit 204 PS Höchstleistung einhergeht (laut Kia erwartbar das Mehrheitsprogramm), und können berichten: Der beste Sitz ist der am Lenkrad. Für Mitfahrende können der üppige Antritt des Autos – fast 400 Newtonmeter aus dem Stand! – und das schnelle Verzögern im ständigen Wechselspiel von Gas geben und lupfen nervig sein, aber das gilt für die meisten Elektroautos. Rekuperieren ist eine wichtige Energiequelle, im E-Niro umfassend zu verwalten: Schaltwippen am Lenkrad, mit nur einem Gang im Getriebe an sich obsolet, regulieren den Grad der Rekuperation, langes Drücken links maximiert sie und simuliert Bremsen bis zum Stillstand (Einpedal-Effekt), langes Drücken rechts übergibt das Rekuperationskommando an den adaptiven Tempomaten, der aus der Verkehrssituation rein elektrisch verzögernd das Beste für die Batterie herausholt.

Hinteransicht.
Hinteransicht. (c) Gilberto Comelli

Mit dem Abstandsradar ist auch eine Notbremsfunktion samt Fußgängererkennung an Bord. Derlei gehört zur Ausstattung der erwähnten Grundversion, wie auch die Batterieheizung. Die fehlt den günstigeren E-Autos, ist aber Garant für effizientes Laden – oder überhaupt für jegliches Laden, wenn die Temperaturen zweistellig unter null sind.

Das Fahrwerk mit Multilenkerhinterachse ist durchwegs hochwertig und gestattet mit dem niedrigen Schwerpunkt (durch das Unterflur-Akkupaket) auch sehr flotte Kurvenfahrt; wenn man's übertreibt, wird man durch Untersteuern höflich eingebremst.

An das Höchsttempo haben wir nur kurz herangeschnuppert, man braucht es ja nicht, aber man ist verblüffend schnell auf Autobahntempo – beachtenswert, wie gut der E- Niro akustisch gedämmt ist – und hat dann noch genügend Reserven für jederzeit schnelles Freischwimmen nach vorn. Auf Dauer wird man mehr die Reichweite im Auge behalten: Wir fuhren mit angezeigten 450 Kilometern los – flott, gut geheizt, wenn auch bei frühlingshaften Außentemperaturen –, und die Prognose verkniff sich Sprünge zu unserem Nachteil. Das macht eine reale Reichweite im Bereich des Normwerts möglich, plausibel auch durch den niedrigen Stromverbrauch von unter 17 kWh/100 km.

Die Niro-Plattform beherbergt neben dem Stromer auch Vollhybrid (Prius-Style) und Plug-in-Hybrid, mit der Konzernschwester Hyundai teilt man sich wesentliche Komponenten. Die Akkus baut man aber genauso wenig selbst, wie es Volkswagen tun wird, und die Liefersituation wird die Produktionszahlen vermutlich mehr beeinflussen als die (höhere) Nachfrage.

Noch ein Unterschied des E-Niro zu den zwei anderen: Statt archaischer Feststellbremse im Fußraum wird elektrisch arretiert.

KIA E-NIRO

Maße. L/B/H: 4375/1805/1560 mm. Radstand: 2700 mm. Leergewicht 1592–1646 kg/1737–1791 kg (Long Range). Kofferraum 451–1405 Liter.

Antrieb. Permanentmagnetsynchronmotor an der Vorderachse. Leistung max.: 100 kW (136 PS)/max. 150 kW (204) PS (Long Range), Drehmoment max.: 395 Nm. 0–100 km/h in 9,8 sec./7,8 sec. (LR). Vmax: 155/167 km/h (LR). Verbrauch: 15,3 kWh/100 km bzw. 15,9 kWh/100 km (LR) lt. Norm.

Akku. Lithium-Ionen, Kapazität: 39,2 kWh/64 kWh (Long Range). Ladezeit Wallbox: 6.10/9.35h; 50 kW: 57/75 min. Reichweite max.: 289/455 km (LR).

Preis ab 36.690 Euro/41.090 Euro (Long Range).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.12.2018)

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