Energie: Russland fackelt Gas ab und verliert Milliarden

(c) Reuters (Vasily Fedosenko)
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Russlands Ölfirmen vernichten zwei Drittel des Begleitgases und verzichten so auf bis zu 5,7 Mrd. Dollar. Russland ist dadurch auch der weltweit größte Energieverschwender ist.

Moskau. Energieeffizienz ist nicht nur ein Thema der Verbraucher. In Zeiten der Wirtschaftskrise und der abnehmenden Ressourcen wird es auch eines der Produzenten. Konkret in Russland. Dort hat dieser Tage der Rechnungshof an das leidige Problem der Abfackelung von sogenanntem „Erdölbegleitgas“ erinnert. Wie die obersten Kassaprüfer vorrechneten, würde Russland – abgesehen vom ökologischen Schaden – jährlich zwischen 1,3 und 5,7 Mrd. Dollar (0,97 bis 4,3 Mrd. Euro) dadurch verlieren, dass Ölfirmen einen Großteil des Gases, das bei der Förderung von Erdöl als Nebenprodukt anfällt, ohne Nutzen verbrennen müssen. Aus diesem Bericht zitierte die Wirtschaftszeitung „Wedomosti“.

Die sieben führenden Ölfirmen des Landes haben demnach im Vorjahr zwei Drittel des geförderten Begleitgases abgefackelt. Konkret waren dies 19,96 Mrd. Kubikmeter, mehr als das Doppelte des österreichischen Jahresverbrauchs. Die Diskrepanz in der errechneten Schadenssumme ergebe sich aus dem unterschiedlichen Gaspreis, der im Inland etwa 65 Dollar je tausend Kubikmeter, im Export mehr als das Vierfache betrage.

Heller Himmel über Sibirien

Neben Leitungsverlusten und Verschwendung durch die Verbraucher ist Abfackelung einer der Gründe dafür, dass Russland nicht nur der weltweit drittgrößte Energieverbraucher, sondern gleichzeitig auch der größte Verschwender ist. Satellitenbilder zeigen Sibirien als Lichtermeer aus tausenden Gasflammen, die ohne Unterlass brennen. Das Problem der Abfackelung selbst liegt in der Organisation des russischen Gasbinnenmarktes begründet.

Weil der halbstaatliche Gasmonopolist Gazprom auf dem Gastransportmonopol sitzt, haben Ölfirmen nur beschränkt Zugang zum Gasleitungsnetz. Und weil sich das Gas wegen dessen chemischer Eigenschaften oft nur mit entsprechenden Investitionen in die Verarbeitung nutzen lässt, wird eben vielfach auf die Abfackelung als Problemlösung zurückgegriffen.

Während der Jahre des Wirtschaftsbooms hat die Regierung dem Problem wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Erst im Jahr 2008 kam der Vorschlag und kurz später die Verordnung, bis zum Jahr 2012 zumindest 95 Prozent des geförderten Begleitgases zu verwerten. Wie „Wedomosti“ schreibt, seien jedoch Zweifel an der zeitgerechten Umsetzung angebracht.

Zum einen nämlich sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt jegliche Schadensrechnung nur bedingt aussagekräftig. Dies deshalb, weil im Land selbst keine zuverlässige Statistik über die Förderung und Abfackelung von Begleitgas bestehe. Laut dem Ministerium für Naturressourcen seien im Jahr 2008 39,6 Mrd. Kubikmeter an Begleitgas gefördert worden. Das Energieministerium hingegen zählt 60,3 Mrd. Kubikmeter.

Größter Energieverschwender

Und während der Rechnungshof offiziell ein Abfackelungsvolumen von den genannten 19,96 Mrd. Kubikmeter angibt, hat die Weltbank schon 2005 von 55,2 Mrd. Kubikmeter gesprochen, womit Russland damals auf den unrühmlichen ersten Rang unter den Ölförderstaaten weltweit aufstieg. Bis dahin hatte Nigeria als größter Abfackler gegolten. Gerade die transnationalen Ölfirmen aber hätten dort zuletzt in die Verwertung investiert.

In Russland mangelt es aber nicht nur an einer zuverlässigen Schadensrechnung, „Wedomosti“ sieht auch das Problem, dass die Investitionssummen für die Verwertung von Erdölbegleitgas zu hoch seien. Die führenden sechs Ölfirmen bräuchten dafür bis 2012 ganze 8,5 Mrd. Dollar und hätten diese weitgehend auch im Investitionsprogramm. Effizienz und Ökologie sind Teil von Präsident Dmitri Medwedjews Modernisierungsprogramm.

Wie die Weltbank 2008 in einer Studie festgestellt hat, könnte der gesamte Energieverbrauch in Russland um 45 Prozent gesenkt werden. Die Investitionen in Sparmaßnahmen seien dreimal billiger als jene in die Aufrechterhaltung des jetzigen Förder- und Produktionsniveaus. Was zu Hause gespart würde, könnte lukrativ auf den Weltmärkten verkauft werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2010)

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