Die Affäre um angebliche „Sieg Heil“-Rufe bei FPÖ-Veranstaltung muss Konsequenzen haben.
Selten wäre eine undurchsichtige Affäre so einfach aufzuklären, wie jene um die Neonazis, die der ORF zu einer Wahlveranstaltung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gekarrt hat. Dabei kann man die wechselnden Aussagen der jungen Burschen, über deren intellektuelle Kapazitäten sich hunderttausende ORF-Seher ein authentisches Bild machen konnten, getrost außer Acht lassen. Denn eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder hat der ORF bzw. der verantwortliche Redakteur das Aufnahmeband bewusst manipuliert und „Sieg Heil“-Rufe samt Aufforderung des ORF dazu herausgeschnitten. Dann wäre das tatsächlich ein Medienskandal beträchtlichen Ausmaßes, der im ORF zu Konsequenzen führen müsste. Oder aber, das Band ist nicht manipuliert: Dann wäre Strache – ganz ohne Lügendetektor – der Lüge überführt und dabei ertappt, wie er mit haltlosen Anschuldigungen gegen den ORF von jenen Problemen abzulenken versucht, die ihm Präsidentschaftskandidatin Barbara Rosenkranz eingebrockt hat. Auch die Rolle der Polizei wäre dann zu hinterfragen. Sie stünde unter Verdacht, die Neonazis unter Druck gesetzt zu haben, um eine Aussage zu erzwingen, die Strache nützt und dem ORF schadet.
Wie gesagt: Das Aufnahmeband des ORF liegt vor, Fachleute können eine Manipulation zweifellos nachweisen. Das sollte jetzt rasch geschehen, damit die notwendigen Konsequenzen auch bald gezogen werden können – sei es beim ORF, bei den Freiheitlichen oder bei der Polizei. (Bericht: Seite 22)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.03.2010)