Asylwerber: Anwesenheitspflicht statt Ausgehverbot

Eine Hausordnung soll eine „Anwesenheitspflicht“ zwischen 22 und 6 Uhr vorsehen.
Eine Hausordnung soll eine „Anwesenheitspflicht“ zwischen 22 und 6 Uhr vorsehen.(c) Clemens Fabry
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Die Regierung will nun zwar kein nächtliches Ausgehverbot, aber eine Hausordnung in den Unterkünften, die auf dasselbe hinausläuft. Juristen und Ländervertreter sind skeptisch, ob dies rechtlich hält.

Wien. Ein nächtliches Ausgehverbot für Asylwerber, wie von einzelnen FPÖ-Politikern gefordert, hat Bundeskanzler Sebastian Kurz abgelehnt, mit einer „Hausordnung“ in den Unterkünften kann er sich aber anfreunden. Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) soll jetzt einen Vorschlag ausarbeiten. Diese Hausordnung soll eine „Anwesenheitspflicht“ zwischen 22 und 6 Uhr vorsehen. Laut Vizekanzler Heinz-Christian Strache sollen damit „nächtliche Zusammenrottungen, Herumlungern, exzessiver Alkoholkonsum und Gewalttaten“ verhindert werden. Die Hausordnung sei vergleichbar mit Regeln beim Bundesheer oder in einer Kuranstalt. Was das im Detail bedeutet:

1 Welche Regeln gibt es derzeit in den Asylunterkünften?

In den Verträgen zwischen Bund und Ländern ist geregelt, dass für die Unterkünfte für Asylwerber verpflichtend eine Hausordnung erstellt werden muss. Wie die aussieht, bleibt den Ländern überlassen, die daher auch unterschiedliche Regelungen haben. Das Forum Soziales Wien beispielsweise schlägt seinen Trägerorganisationen (Caritas etc.) eine Hausordnung vor, in der für die Zeit von 22 bis 6 Uhr eine Nachtruhe vorgesehen ist. In dieser Zeit ist Lärm zu vermeiden, und Besuche sind nicht möglich. Sehr wohl aber können Bewohner das Quartier in der Nacht verlassen. Bei Einrichtungen mit mehr als 50 Personen regelt ein Nachtportier das Ein- und Ausgehen. Für Minderjährige gelten andere Regeln: Sie haben sich an die Ausgehzeiten des Jugendschutzgesetzes zu halten. Zudem sind Abwesenheiten mit dem Betreuungspersonal abzuklären. Ähnliche Regelungen hat auch das Innenministerium für die Einrichtungen des Bundes aufgestellt. Allerdings gilt das alles nur für einen kleineren Teil der Flüchtlinge. In Wien sind derzeit 15.600 Personen in der Grundversorgung, davon sind 4500 in organisierten Quartieren untergebracht, die Mehrheit lebt in privaten Wohnungen.

2 Was genau soll sich jetzt an diesen Hausordnungen ändern?

Das Innenministerium prüft nun in seinem Bereich, also bei den Asylunterkünften des Bundes, ob künftig verstärkte Anwesenheitskontrollen und eine grundsätzliche Anwesenheitsverpflichtung in den Nachtstunden vorgesehen werden. Noch nicht bekannt ist, welche Sanktionen bei Verletzung der Hausordnung drohen. Der Bund will aber auch mit den Ländern über eine Harmonisierung der Ausgehzeiten diskutieren – sprich: eine einheitliche Regelung für alle Asylwerberunterkünfte schaffen.

3 Sind diese Pläne verfassungsrechtlich haltbar?

Die Verfassungsjuristen Bernd-Christian Funk und Theo Öhlinger sind skeptisch. Laut Öhlinger könnte es sich um einen Eingriff in die persönliche Freiheit handeln. „Maßgeblich ist, ob die Personen freiwillig in einem Heim wohnen oder dort mit behördlicher Verfügung eingewiesen werden. Wenn sie freiwillig dort sind, müssen sie sich der Hausordnung beugen“, diese dürfte aber nicht schikanös sein, erklärte Öhlinger. „Zehn Uhr ist indiskutabel für erwachsene Menschen“, setzt er nach. Schwierig werde es, wenn Personen in ein Heim zugeordnet werden: „Dann wäre ein Ausgehverbot ein Eingriff in die persönliche Freiheit, für den ich nirgendwo eine verfassungsrechtliche Grundlage sehe“, so der Verfassungsjurist.

Auch für Funk könnte eine Anwesenheitspflicht als Freiheitsbeschränkung wirken. Für die gebe es keine rechtliche Grundlage, auch nicht mit den Etiketten Hausordnung und Anwesenheitspflicht. Entscheidend sei, wie eine solche konkret durchgeführt werde: „Wird der oder die Betreffende ausfindig gemacht, zwangsweise in das Heim verbracht, vielleicht mit der Polizei gesucht?“

4 Wie reagieren die Länder auf den Vorstoß der Regierung?

Die Stadt Wien, die mit Abstand die meisten Asylwerber beherbergt, lehnt die Pläne ab. „Man soll nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen“, sagt Anita Bauer, Geschäftsführerin des Fonds Soziales Wien. Bei den Menschen, die hier einen Asylantrag gestellt haben, handle es sich um freie Menschen, die man nicht pauschal verunglimpfen dürfe. Bauer: „Ob man es nun Ausgehverbot oder Anwesenheitspflicht nennt – die Intention dahinter ist klar: Menschen, die hier in Österreich einen Asylantrag gestellt haben, sollen kriminalisiert werden.“

Aber auch der ÖVP-Asyllandesrat in Vorarlberg, Christian Gantner, hält eine nächtliche Anwesenheitspflicht für rechtlich bedenklich. Man finde im Land das Auslangen mit den bisherigen Instrumenten. In den Quartieren gebe es bereits Hausordnungen, Verstöße dagegen würden strikt sanktioniert. In einzelnen Fällen seien bereits Hausverbote ausgesprochen und Personen aus den Quartieren entlassen worden. Auffällige Personen würden den Behörden gemeldet, auf sie werde ein besonderes Augenmerk gelegt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.12.2018)

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