Frauen-Gleichstellung: Nicaragua auf Platz 5, Österreich auf Platz 53 - wie kann das sein?

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Wer sich den "Global Gender Gap Report" genauer anschaut, wird sich wundern. Warum etwa liegt Nicaragua so weit vor Österreich? Ein Blick auf die Daten gibt Klarheit.

Das Weltwirtschaftsforum (WEF) hat den "Global Gender Gap Report" für das Jahr 2018 veröffentlicht. 149 Länder weltweit haben die Wissenschaftler verglichen, ein Index soll aussagen, wie es um die Gleichstellung von Frauen steht. An der Spitze des Rankings stehen auch heuer wieder Island, Norwegen, Schweden und Finnland. Die nordeuropäischen Staaten sind bekannt für ihre progressive Frauenpolitik und diese trägt ihre Früchte.

Mit etwas Verwunderung schauen Beobachter dann aber auf den Fünftplatzierten im Ranking: Nicaragua hätte wohl kaum jemand in den Top Ten vermutet. Auf Platz sechs folgt Ruanda. Die Philippinen (Platz 8) und Namibia (Platz 10) liegen noch vor Deutschland (14). Österreich kommt dann erst "unter ferner liefen", auf dem 53. Platz. Gleichgestellter sind Frauen beispielsweise in Simbabwe, Albanien, Bangladesch und Uganda, wenn man der WEF-Rangliste Glauben schenkt.

Aber zurück zum Fünftplatzierten: Wer sich nach der Lage der Frauen in Nicaragua erkundigt, wird online schnell fündig. "Jede dritte Frau in Nicaragua erlebt ihren ersten sexuellen Kontakt durch Vergewaltigung", ist da in einer Reportage zu lesen. "Ihr Platz ist in der Küche", in einer anderen. NGOs üben Kritik am strikten Abtreibungsverbot und am in Südamerika weit verbreiteten „Machismo“. Wie kann es also sein, dass Nicaragua Österreich schlägt - und das auch noch so deutlich? Ein Blick auf die Daten verschafft Klarheit.

Vier Teilbereiche

Die Forscher haben den Fortschritt der Gleichstellung in vier Teilbereichen untersucht: Gesundheit, Bildung, Wirtschaft und Politik. In jedem Bereich wird anhand mehrerer Kennzahlen ein Index errechnet, der bei 1,0 liegt, wenn die völlige Gleichstellung erreicht ist. Daraus wird ein Durchschnitt errechnet, der die Gesamtbewertung ausmacht. Die gute Nachricht: In Bildung und Gesundheit ist die Gleichstellung im weltweiten Durchschnitt nahezu erreicht. Umso mehr gibt es noch im Bereich Wirtschaft zu tun – natürlich auch in Österreich, natürlich auch in Nicaragua.

Österreich stand im WEF-Vergleich im Jahr 2006 noch deutlich besser da.
Österreich stand im WEF-Vergleich im Jahr 2006 noch deutlich besser da.WEF

Ein Beispiel: Bei der Beschäftigung von Frauen liegt das lateinamerikanische Land mit einem Index von 0,619 auf Platz 121 von 149. In Nicaragua beträgt die Frauenerwerbsquote 53,4 Prozent (Männer: 86,2), während sie in Österreich bei 71,8 liegt (Männer: 80,6). Damit hat Österreich auch einen höheren Indexwert (0,658) und liegt weit vor Nicaragua auf Platz 44. Dennoch steht Nicaragua in der Kategorie Wirtschaft am Ende besser da.

Wie kann das sein? Die Erwerbsquote ist nicht die einzige Kennzahl, genauso schwer wiegt etwa der Anteil weiblicher Führungskräfte. Hier liegt Nicaragua mit einem Index von 0,543 plötzlich deutlich vor Österreich (0,466). Damit ist klar: Der Anteil von Top-Managerinnen in Nicaragua ist höher als hierzulande. Der Anteil von Frauen ohne irgendein eigenes Einkommen allerdings auch.

Politikerinnen machen den Unterschied

In der Kategorie Politik ist der Unterschied zwischen Österreich und Nicaragua noch viel massiver: Weltweit schafft es Nicaragua mit einen hohen Anteil von Ministerinnen und Parlamentarierinnen auf den zweiten Platz, Österreich liegt auf dem 44. Es gilt: Ein weibliches Staatsoberhaupt oder zwei, drei Ministerinnen entscheiden ganz wesentlich über die Platzierung im Teilbereich Politik. Ob sich alleine dadurch etwas für die breite Masse ändert, ist äußerst fraglich. Genauso, wie es äußerst fraglich ist, dass es Frauen in Österreich schwerer haben als in Nicaragua.

>>> Den kompletten "Gender Gap Report" finden Sie hier (PDF)

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