Die besten Kriminalromane 2018
"Presse"-Krimikritiker Peter Huber hat aus der Flut der Neuerscheinungen vierzehn außergewöhnliche Kriminalromane ausgewählt.

"Presse"-Krimikritiker Peter Huber hat aus der Flut der Neuerscheinungen außergewöhnliche Kriminalromane ausgewählt. Susanne Saygin hat für ihren Debüt-Krimi fünf Jahre lang recherchiert. Die Autorin mit türkisch-deutschen Wurzeln lässt in "Feinde" den Polizisten Can, der von ständigen Migräne-Attacken gequält wird, und seine lesbische Chefin Simone in einem Doppelmord im Roma-Milieu ermitteln. Die beiden stoßen auf eine Mauer des Schweigens. Als diese gebrochen wird, nimmt die Handlung an Fahrt auf. Susanne Saygin: "Feinde", Heyne, 352 Seiten, 13,40 Euro >>> Zum Krimiblog crimenoir
(c) Heyne Verlag

Obwohl "Thriller" auf dem Cover des Buches steht, ist "64" kein rasanter Pageturner aus dem fiebrigen Großstadtdschungel Japans. Die Spannung entsteht anders. Behutsam erzählt Autor Hideo Yokoyama, der zehn Jahre an dem Buch geschrieben hat, von Mikamis Lavieren durch das private und berufliche Minenfeld. Jedes eigene Wort will genau überlegt sein, jedes Wort der Gegenspieler richtig gedeutet werden - alles, ob ausgesprochen oder nicht, landet auf einer fein austarierten Waagschale. Hinter der Mauer von Höflichkeit bleibt viel verborgen. Hideo Yokoyama:"64", übersetzt von Sabine Roth und Nikolaus Stingl, Atrium Verlag, 768 Seiten, 28,80 Euro
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Wolfram Fleischhauers Roman "Das Meer" ist mehr als nur ein Thriller. Ausnahmsweise kann man den Klappentext des Buches bedenkenlos zitieren: "Das Meer: Ursprung allen Lebens. Der Mensch: Ursprung aller Zerstörung." Aus vielen Blickwinkeln erzählt der Autor eine spannende Geschichte über den globalen Fischfang und eine Lebensmittelindustrie, die Tiere nur noch als Biomasse begreift. Urteile überlässt Fleischhauer dankenswerterweise aber dem Leser. Das ist nicht unbedingt ideale Lektüre für den Strand, weil sie wütend macht - aber absolut empfehlenswert. Wolfram Fleischhauer: "Das Meer", Droemer-Verlag, 443 Seiten, 20,60 Euro
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"Dirty Cops" ist bereits der sechste Kriminalroman aus der Reihe um den katholischen Polizisten Sean Duffy, der sich im Nordirland der 1980er-Jahre behaupten muss. Ein Drogendealer wird tot aufgefunden. Alltäglich? Nicht ganz, immerhin hat der Mann einen Pfeil im Rücken, also kein klassisches Handwerkszeug der IRA. Adrian McKintys Mix aus überzeugender Krimihandlung, unvergleichlichem Setting, feiner Charakterzeichnung, dem Spiel mit Genrekonventionen und subtilem Humor sucht seinesgleichen. Wer mehr über den Nordirland-Konflikt wissen und gleichzeitig unterhalten werden will, muss hier zugreifen. Adrian McKinty: "Dirty Cops", übersetzt von Peter Torberg, Suhrkamp Nova, 392 Seiten, 15,40 Euro
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Der australische Krimiautor Garry Disher gehört zu den Besten seines Fachs, was er mit "Leiser Tod" eindrucksvoll bestätigt. Diesmal muss sich sein Ermittler, Hal Challis, mit einem heiklen Fall herumschlagen: Ein Vergewaltiger in Polizeiuniform sorgt im australischen Buschland für Schrecken. Doch der Autor begnügt sich nicht mit der Polizistensicht, er lässt den Leser die Welt auch durch die Augen einer Profi-Einbrecherin sehen. Beide Erzählstränge lesen sich spannend und glaubwürdig, aber vor allem wie Disher diese verknüpft und auflöst, ist einfach große Klasse. Garry Disher: "Leiser Tod", übersetzt von Peter Torberg, Unionsverlag, 347 Seiten, 22,70 Euro
(c) Unionsverlag

Nate McClusky ist kein Guter. Jahrelang sitzt er im Gefängnis, wo er den falschen Mann umbringt. Das zieht postwendend das Todesurteil einer Neonazi-Gang nach sich. Aber nicht nur er soll sterben, auch seine Exfrau und die elfjährige Tochter Polly sollen ins Gras beißen. Als Pollys Mutter tatsächlich umgebracht wird, befindet sich das Kind fortan mit dem Vater auf der Flucht vor bösen Männern mit "blauen Blitztattoos" auf den Armen. Jedes dieser Tattoos steht für einen Getöteten. Einziger Begleiter und Halt für Polly ist ein einäugiger, kaputtgeliebter Teddybär. "Die Rache der Polly McClusky" ist außergewöhnlicher Roadtrip. Jordan Harper: "Die Rache der Polly McClusky", übersetzt von Conny Lösch, Ullstein Verlag, 285 Seiten, 15,50 Euro
(c) Ullstein Verlag

Bereits zum dritten Mal lässt Autor Wallace Stroby die professionelle Räuberin Crissa Stone ihren kriminellen Tätigkeiten nachgehen - und wieder einmal geht in "Fast ein guter Plan" alles schief: Drogendealer in Detroit werden zwar erfolgreich ausgeraubt, doch ein Mitglied von Crissas vierköpfigem Team ist gierig - beim Aufteilen des Geldes tappt sie in eine Falle. Ganovenehre? Gibt es nicht. Stroby wird von Buch zu Buch besser, seine angenehm unheroische Hauptfigur erhält immer mehr Konturen. Er erzählt zurück haltend und unglaublich puristisch von einer Frau, die sich im beinharten Milieu der männerdominierten Unterwelt ständig neu beweisen muss. Wallace Stroby: "Fast ein guter Plan", übersetzt von Als Mayer, Pendragon Verlag, 312 Seiten, 17,50 Euro
(c) Pendragon Verlag

Anne Goldmann hat sich mit ihren bisherigen Kriminalromanen (zuletzt "Lichtschacht", "Triangel") einen tollen Ruf erarbeitet. Zu Recht. Sie versteht ihr Handwerk perfekt und präsentiert eine fein konstruierte Geschichte mit glaubwürdigen Wendungen. Im Zentrum der Handlung von "Das größere Verbrechen" stehen drei - Theres, Ana und eine Frau Sudic - vom Leben gebeutelte Frauen. Sie werden von den Geistern ihrer Vergangenheit verfolgt. Die Autorin porträtiert sie als keineswegs fehlerlose Persönlichkeiten, die auf unterschiedliche Weise gelernt haben, ihre Päckchen zu schultern. Selten hat sich die Beschreibung von alltäglichen Dingen so spannend gelesen. Anne Goldmann: "Das größere Verbrechen", Ariadne Verlag, 235 Seiten, 13,40 Euro
(c) Ariadne Verlag

2015 betrat Tom Hillenbrand mit seinem Future-Noir-Thriller "Drohnenland", der ein vollkommen überwachtes Europa porträtiert, für deutschsprachige Autoren Neuland. Mit "Hologrammatica" geht er nun noch einen Schritt weiter. Wir schreiben das Jahr 2088: Galahad Singh arbeitet als Quästor, eine Art Privatdetektiv der Zukunft, in London. Neuartige Technologien wie Holonets und Mind Uploading machen es den Menschen einfacher denn je, die eigene Identität zu wechseln und zu verschwinden. Bei all der modernen Technologie überzeugt der Autor aber vor allem durch sein feines Gespür für die Menschen. Tom Hillenbrand: "Hologrammatica", Kiepenheuer & Witsch, 560 Seiten, 12,40 Euro
(c) KiWi Taschenbuch Verlag

In Hamburg brennen ständig Autos. Man gewöhnt sich daran Doch dann sitzt in einem davon jemand: Nouri Saroukhan, Angehöriger eines gefürchteten Clans. Sein Tod interessiert die ermittelnde Staatsanwältin Chastity Riley mehr als dessen Familie. Auch in "Mexikoring" überzeugt Autorin Simone Buchholz durch ihren eigenwilligen Erzählstil. Wer sich darauf einlässt, erfährt viel über Hamburg, die Welt und das Menschsein. Simone Buchholz: "Mexikoring", Suhrkamp, 248 Seiten, 15,40 Euro
(c) Suhrkamp Verlag

Bei einem US-Drohnenangriff in Syrien kommt nicht nur das eigentliche Ziel ums Leben, sondern auch eine amerikanische Geisel. Um die Friedensverhandlungen im Nahen Osten nicht zu gefährden, soll diese aber medial weiter am Leben erhalten werden, bis der Deal unter Dach und Fach ist. Autor James Rayburn, ein Pseudonym des südafrikanischen Krimiautors Roger Smith, erzählt seine Geschichte aus mehreren Perspektiven. Der Titel "Fake" ist Programm, hier wird gemogelt und getäuscht, bis nicht mehr erkennbar ist, was Wahrheit und was Legende ist. Das liest sich unglaublich und realistisch zugleich. James Rayburn: "Fake", übersetzt v. Ulrike Wasel/Klaus Timmermann, Tropen-Verlag, 383 Seiten, 17,50 Euro
(c) Tropen Verlag

"Safe" ist der wohl herzzerreißendste Krimi des Jahres. Ricky Mendoza, Safeknacker für die Drogenbehörde DEA, zweigt Geld aus einem Safe ab. Sofort heftet sich Gangmitglied Rudy Reyes an seine Fersen. Wer nun knallharte Ghetto-Tristesse erwartet: Fehlanzeige. US-Autor Ryan Gattis verbindet Realismus mit märchenhaften Elementen und einer ungewöhnlichen Liebesgeschichte. Ryan Gattis: "Safe", übersetzt von Ingo Herzke und Michael Kellner, Rowohlt Verlag, 414 S., 20 Euro
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Wie der große Mark Twain schickt auch Bill Beverly in "Dodgers" seine Hauptfigur auf eine ungewöhnliche Reise durch Amerika. Der 15-jährige East kennt nichts von der Welt - nur sein Drogenviertel The Boxes in Los Angeles. Der Autor überzeugt durch seine unaufgeregte und unsentimentale Erzählweise. Ganz wunderbar die Idee, dass East ausgerechnet in das rückständige Ohio reisen muss, um die große Welt zu verstehen. Während Twains Figur Huck Finn am Ende in Richtung Westen aufbricht, zieht es East namensgerecht in den Osten. Fazit: Grandios. Bill Beverly: "Dodgers", übersetzt von Hans M. Herzog, Diogenes Verlag, 397 Seiten, 24,70 Euro
(c) Diogenes Verlag

Ein Krimi über die RAF? Interessiert das überhaupt noch irgendjemanden? Wer so denkt, der sollte unbedingt "Die letzte Terroristin" lesen. Bereits 2015 befasste sich "Tatort"-Drehbuchautor André Georgi in seinem Debüt, "Tribunal", mit einem politischen Thema: Es ging damals um einen serbischen Kriegsverbrecher, dem der Prozess gemacht werden sollte. War sein erstes Buch in Ansätzen außergewöhnlich, kann der Autor das Niveau diesmal über die volle Länge halten. Er erzählt eine spannende Geschichte, hat aber darüber hinaus ein wunderbares Auge für all die kleinen Dinge, die das Menschsein ausmachen. André Georgi: "Die letzte Terroristin", Suhrkamp Verlag, 362 Seiten, 15,40 Euro >>>Zum Krimiblog crimenoir
(c) Suhrkamp Verlag