Neue Regeln setzen Versicherern zu

Auch bei der Vienna Insurance Group setzt man sich bereits intensiv mit den neuen Bilanzregeln auseinander.
Auch bei der Vienna Insurance Group setzt man sich bereits intensiv mit den neuen Bilanzregeln auseinander. (c) Clemens Fabry
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Ab dem Jahr 2022 müssen börsenotierte Versicherer veränderte Bilanzierungsvorschriften anwenden. Diese gelten als komplex und aufwändig in der Umsetzung. Die Kosten sind enorm.

Wien. 2022 klingt irgendwie nach Zukunft, doch tatsächlich arbeitet bereits eine Heerschar an Beratern und Aktuaren auf dieses Datum hin. In besagtem Jahr nämlich soll für börsenotierte Versicherungskonzerne ein neuer Rechnungslegungsstandard gelten. Und dieser hat es in sich.

Als Gipfel der Komplexität wird das neue Regelwerk namens IFRS 17 beschrieben, an dem seit rund 20 Jahren getüftelt wird. „Viele Bestimmungen sind noch sehr unklar. Es gibt unterschiedliche Meinungen, auch die Interpretation des Standards erweist sich als schwierig“, sagt Georg Weinberger, Partner beim Wirtschaftsprüfer KPMG.

Das, was IFRS 17 so kompliziert macht, ist nicht nur dessen Anwendung und Auslegung, sondern auch der Aufwand, den die Unternehmen dafür betreiben müssen. „Das neue Regelwerk wird bei den Unternehmen noch viel mehr an die Substanz gehen als die Solvabilitätsvorschriften Solvency II“, so Weinberger. Diese müssen seit 2016 angewandt werden. „Bei den Unternehmen ist die Umstellung auf den Rechnungslegungsstandard IFRS häufig mit einem Umbau ihrer gesamten Prozesslandschaft verbunden.“

IT-Systeme neu aufziehen

Für die IFRS-Regeln müssen die Assekuranzen ihre IT-Infrastruktur nun auf neue Beine stellen. „Man kommt relativ schnell auf große Beträge, wenn man die Standards einhalten will“, sagt Heiner Klein vom Beratungsunternehmen EY. Und daran führt freilich kein Weg vorbei. Gleichzeitig mit IFRS 17 wird noch ein zweiter Standard etabliert, IFRS 9. Hierbei handelt es sich um die Bilanzierung von Finanzinstrumenten.

Uniqa-Chef Andreas Brandstetter bezifferte die Kosten, die dem Konzern über die Jahre verteilt durch die neuen Bilanzvorschriften entstehen, kürzlich auf über 50 Mio. Euro. Die Einführung von Solvency II habe hingegen die Hälfte ausgemacht. Bei der Vienna Insurance Group (VIG), der zweiten großen börsenotierten Gesellschaft in Österreich, hat man dazu noch keine Berechnungen angestellt. Ein hoher Aufwand gehe mit der Umstellung aber allemal einher. Denn die Standards gelten nicht nur für die Muttergesellschaften, sondern auch für die Auslandstöchter – und von diesen haben VIG und Uniqa reichlich. Auch die Österreich-Gesellschaften ausländischer Versicherer, wie Allianz oder Generali, sind von den Regelungen betroffen.

Doch was wird sich für die Versicherungen tatsächlich ändern? Während die Assekuranzen in ihren Bilanzen bisher beispielsweise sämtliche Versicherungsverträge aus dem Kfz-Geschäft in einen Topf werfen konnten, werden die Verträge künftig unterschiedlichen Clustern zugeordnet, erklärt Klein. Soll heißen: Alle in einem Jahr abgeschlossenen Kfz-Verträge werden künftig in profitable und verlustbringende Kohorten unterteilt. „Der Blick auf die Verträge ist einfach ein anderer“, sagt Klein. Was man in der Bilanzierung bei der Versicherungsbranche bisher auch nicht kannte, sei die sehr stark cashflowbasierte Sichtweise auf einen Vertrag, sagt Klein.

Berechneten Unternehmen ihre Verträge anhand von Einnahmen (durch Prämien) und Ausgaben (welche Leistungen zu zahlen sind), komme man von diesem System nun ab, sagt Klein. Künftig orientiert man sich gesamthaft anhand des Barwerts der Zahlungsströme. Zahlt ein Kunde beispielsweise 100 Euro monatlich in eine kapitalbildende Lebensversicherung ein, fließen davon angenommen 70 Euro in das Sparprodukt. Der Rest, also 30 Euro, gehen, grob gesagt, in die Absicherung des Risikos. Als Versicherungsprämie scheinen die 70 Euro künftig nicht mehr auf, sondern nur noch der Wert von 30 Euro.

Einführung wohl verschoben

Weil das bisherige Bilanzierungssystem auf den Kopf gestellt wird, wird die Erstanwendung von IFRS 17 voraussichtlich um ein Jahr verschoben. Davon betroffen ist auch IFRS 9. Ursprünglich wollte das Gremium, dass die internationalen Reporting-Standards (IASB) entwickelt und verabschiedet, die Vorschriften schon 2021 einführen. Den Versicherungen kommt die Verschiebung wohl durchaus gelegen. „Die Unternehmen haben zu unterschiedlichen Zeitpunkten begonnen, sich vorzubereiten. Auch die, die sich mit dem Thema bereits eingehend beschäftigt haben, sind wahrscheinlich nicht unglücklich über eine Verschiebung des Standards und im Idealfall trotzdem früher fertig“, sagt Weinberger.

Da die Kosten der Einführung nicht unerheblich sind, stellt sich die Frage, wie sich dies auf die Kunden auswirken wird. Bei den Versicherern beschwichtigt man: „Es wird wegen IFRS zu keiner Erhöhungen der Prämien kommen. Wir müssen das aus Einsparungen finanzieren“, sagt die Uniqa. Bei der VIG ist man der Ansicht, dass die Kunden den Aufwand durch IFRS nicht zu spüren bekommen. Am Ende wird es freilich auch davon abhängen, ob der Markt Preiserhöhungen hergibt oder nicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.12.2018)

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