„Spiegel“-Affäre. Das deutsche Magazin arbeitet den internen Betrug öffentlich auf. Journalist Claas Relotius gibt vier seiner Preise zurück.
„Er ist halt der Superstar des deutschen Journalismus. Wenn seine Geschichten wahr wären, völlig zu Recht. Sind sie aber nicht.“ So beschreibt Juan Moreno seinen Kollegen Claas Relotius in einem Video, das „Spiegel online“ am Donnerstag veröffentlichte. „Für uns ist dies Tag eins, nachdem wir mit dem Fall Relotius an die Öffentlichkeit gegangen sind“, schrieben schon in der Früh der neue Chefredakteur, Steffen Klusmann, und sein Stellvertreter, Dirk Kurbjuweit, in einem weiteren Erklär- und Entschuldigungstext zu ihrem internen Fälschungsskandal. Der Text las sich für Beobachter allerdings ein bisschen so, als würde man den harten Umgang ihres Kollegen Ullrich Fichtner mit Claas Relotius tags zuvor relativieren wollen. So heißt es darin: „Wir sehen in Claas Relotius nicht einen Feind, sondern einen von uns, der mental in Not geraten ist und dann zu den falschen, grundfalschen Mitteln griff.“
Juan Moreno jedenfalls ist jener „Spiegel“-Redakteur aus dem Berlin-Büro, dem an Relotius Texten als Erster „kleine Fehler und Dinge, die ich unglaubwürdig fand“ aufgefallen sind und der deshalb begann, seinem Kollegen nachzurecherchieren. In dem Video erzählt er genau, wie er auf immer mehr Ungereimtheiten stieß und welch guten Ruf Relotius in der „Spiegel“-Redaktion in Hamburg genoss. Niemand hätte geglaubt, dass der eifrige, kluge und bescheidene Kollege Einzelheiten in seinen Geschichten erfinden könnte. „Ich hatte es nicht leicht, meine Chefs zu überzeugen“, so Moreno.
„Jeden Stein umdrehen“
Die „Spiegel“-Chefs erklärten am Donnerstag: „Wir haben viele Fragen an uns selbst“, aber die Aufklärung des Falles habe begonnen und: „Wir werden ein Komitee bilden, das jeden Stein umdrehen soll. Wir wollen wissen, was genau warum passiert ist.“ Relotius hat unterdessen vier seiner renommierten Deutschen Reporterpreise zurückgegeben. Er hat dies der Jury vom Deutschen Reporterforum per SMS mitgeteilt. Er kam damit einer möglichen Aberkennung zuvor. (awa)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.12.2018)