Wirklichkeit im TV ist immer redigiert

Der ORF hat Sinn für Humor...

Oder wie sonst soll man es interpretieren, dass die Kulturredaktion des Öffentlich-Rechtlichen, der derzeit wegen einer der Inszenierung und Manipulation verdächtigten „Schauplatz“-Reportage Erklärungsbedarf hat, am Montag in einer „Fake Night“ dazu aufrief mitzuraten, welche von drei gezeigten Dokumentationen echt war? Seit Orson Welles' „Krieg der Welten“ gelten Fake-Dokus als Kunstform. Sie führen schnurstracks zum Thema: Was von dem, was ich im Fernsehen sehe, kann ich glauben? Was ist gefälscht oder inszeniert? Dass sich der ORF diesen vorgezogenen Aprilscherz ausgerechnet vor dem Hintergrund der „Skinhead-Affäre“ leistet, ist Zufall – das war längst geplant, bevor FP-Chef H.C. Strache seinen Angriff auf den ORF startete und die Frage der Authentizität von Fernsehbildern und -inhalten wieder virulent werden ließ.


Der ORF muss alles tun, um herauszufinden, unter welchen Bedingungen die kritisierte Reportage zustande gekommen ist – mauern wäre kontraproduktiv. Und er sollte auch nicht vor Konsequenzen zurückschrecken, falls sich tatsächlich herausstellen sollte, dass hier junge Leute in manipulativer Weise für journalistische Zwecke missbraucht wurden (auch wenn sich das Ergebnis sehen lassen kann). Da ist Selbstkontrolle und Selbstkritik gefordert – und zwar weit über die Frage hinaus, was strafrechtlich relevant ist.

Eines sollte dem Zuschauer aber immer bewusst sein: Die Wirklichkeit, die im Fernsehen dargestellt wird, ist immer eine redigierte. Sie ist zusammengeschnitten und gewichtet. Sie ist schon allein dadurch entstellt, dass sich kaum jemand vor der Kamera natürlich verhält. Die Wirklichkeit kann auch rekonstruktiv inszeniert sein, weil das Fernsehen eben Bilder benötigt, um seine Geschichten zu erzählen. Die Frage ist: Wie weit soll und darf die Redaktion dabei gehen? Die ORF-Richtlinien dazu sind schwammig und wenig konkret. Vielleicht könnte man die laufende Debatte nützen und hier Abhilfe schaffen. Zum Wohle des Publikums. Und der Mitarbeiter.


isabella.wallnoefer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.03.2010)

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