Die Landwirtschaft kam über die Balkanroute nach Europa

Unter bronzezeitlichen Funden stieß man auf jungsteinzeitliche Schichten.
Unter bronzezeitlichen Funden stieß man auf jungsteinzeitliche Schichten.(c) F. Ostmann/Orea
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Wiener Forscher rund um Archäologin Barbara Horejs fanden in Südserbien die älteste neolithische Siedlung Europas – ein Missing Link.

Es ist eine alte Frage der Archäologie: Wie kamen die sesshafte Lebensweise und die Landwirtschaft nach Europa? Entstanden vor mehr als 10.000 Jahren im Nahen Osten, breitete sich die „neolithische Revolution“ sukzessive aus. Um 5500 v. Chr. war sie in Mitteleuropa angekommen: Südlich von Wien, in Brunn am Gebirge, haben Forscher des Naturhistorischen Museums (NHM) vor einigen Jahren das älteste bekannte Dorf neolithischer, also jungsteinzeitlicher, Bauern ausgegraben.

Doch wie breitete sich die agrarische Lebensweise aus? Geschah dies, indem Jäger- und Sammlerkulturen die neue Lebensweise von Nachbarn nachahmten und sesshaft wurden? Oder brachten Menschen im Zuge von Migration die neuen Kulturtechniken mit? An einer Antwort arbeitet die Wiener Archäologin Barbara Horejs seit vielen Jahren – sowohl bei Ausgrabungen im Nahen Osten als auch in Europa. Die Leiterin des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie (Orea) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) glaubt nun, in Svinjaricka Cuka einen entscheidenden Zwischenschritt gefunden zu haben: Gemeinsam mit einem serbischen Forscherteam wurde heuer im Spätsommer in Südserbien, am Oberlauf des Flusses Morava nahe Leskovac, eine neolithische Siedlung gefunden.

In einer Tiefe von eineinhalb Metern stießen die Archäologen auf einen bis zu zwei Meter starken Horizont mit allerlei jungsteinzeitlichen Gegenständen, etwa Steingeräten, Keramikresten oder Frauenfigurinen. Durch eingehende Analysen konnte die Fundstelle auf 6200 bis 5800 v. Chr. datiert werden. „Wir können davon ausgehen, dass es sich um die Reste einer zumindest partiell sesshaften Gruppe handelt“, erläutert Horejs.

Die Wahl des Grabungsplatzes war kein Zufall: Es war bekannt, dass sich das sogenannte neolithische Paket (Sesshaftwerdung, Ackerbau, Viehzucht, Vorratshaltung und Herstellung von Geräten) zusätzlich zum Landweg durch Anatolien auch auf dem – schnelleren – Seeweg entlang der Südküste der heutigen Türkei bis nach Griechenland ausbreitete. Wenn man vom heutigen Thessaloniki nach Norden aufbricht, so sei das Becken um Leskovac die erste große Talweitung, wo Landwirtschaft möglich ist, so Horejs. Dort wurden bereits mehrere bronzezeitliche Siedlungen ausgegraben und bei Begehungen überdies neolithische Gegenstände aufgesammelt. Bei Probebohrungen stieß man schließlich auf einen jungsteinzeitlichen Bodenhorizont.

Die ersten sesshaften Bauern

Alle bisherigen Funde aus einer ersten, kleinen Grabung bestätigen Horejs These: „Mobile Gruppen brachten alle Teile des neolithischen Pakets mit. Wir sehen in Svinjaricka Cuka die erste Generation von sesshaften Bauern in Europa.“ Diese hätten bereits über das gesamte Know-how für die Landwirtschaft mitsamt allen Getreidearten und Haustieren verfügt. „Das zeigt, dass die Menschen diese komplexen Techniken nicht einfach kopiert haben, sondern dass diese durch jahrelanges Training weitergegeben wurden. Das Wissen wanderte mit den Menschen mit.“ Nachsatz: „Damit haben wir eine Lücke zwischen neolithischen Siedlungen in der Ägäis und jener in Lepenski Vir an der Donau geschlossen.“

Von Südserbien aus ging die Neolithisierung weiter entlang der „Balkanroute“, bis sie 300 Jahre später auch das heutige Österreich erreichte. „Die Menschen haben sich rasch an die neuen Gegebenheiten angepasst, sie waren sehr flexibel“, fasst Horejs den aktuellen Kenntnisstand zusammen.

Im nächsten Jahr sollen großflächige Ausgrabungen folgen, bei denen die Siedlungsstrukturen ergründet werden. Überdies will man weiter Hinweise darüber sammeln, warum es seinerzeit überhaupt zu diesem großen Migrationszug kam. Als mögliche Erklärungen werden ein Bevölkerungswachstum im Gefolge der Landwirtschaft, aber auch klimatische Veränderungen angenommen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2018)

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