Weihnachten 1918: "Nicht ein Stück Brot"

„Die ersten Friedensweihnachten“: Titelbild des „Interessanten Blattes“, Wien, 26. Dezember 1918.
„Die ersten Friedensweihnachten“: Titelbild des „Interessanten Blattes“, Wien, 26. Dezember 1918.(c) Foto: ONB
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„Wir saßen in der finstern, kalten Wohnung und weinten“, erinnerte sich eine Wiener Ziegelarbeiterin später. Der Krieg war zu Ende, doch für die Menschen änderte sich die Lage zunächst kaum. Aus den Jugendtagen der Ersten Republik.

"Ich habe in zwei Jahren 19 Kilo abgenommen“, klagte die Wiener Schriftstellerin und Frauenrechtlerin Rosa Mayreder am 15. November 1918 in ihrem Tagebuch. Und sie ergänzte: „Man lebt von schwarzen Nudeln, Erdäpfeln, selbstgemahlenem Weizen in Nockerlform, alles mit einem Mindestmaß an Fett zubereitet.“ Ende 1918 war zwar der Krieg zu Ende, und an die Stelle des alten Habsburgerreiches war die Republik getreten. Doch für die Menschen besserte sich die Lage zunächst kaum. Vor allem in den Städten, insbesondere in Wien, hungerten und verhungerten die Menschen. Am Weihnachtsabend des Jahres 1918, so erinnerte sich die Wiener Ziegelarbeiterin Maria Toth, „saßen wir in der finstern, kalten Wohnung und weinten. Nicht ein Stück Brot zum Heiligen Abend! Hungrig gingen wir ins kalte Bett.“ Und die Wienerin Fritzi Sallaba schrieb Ende 1918 in einem Brief: „Die Männer rauchen, damit ihnen der Hunger vergeht.“

Der allgegenwärtige Hunger, gepaart mit der extremen Kohlennot, dem Wohnungselend und der schlechten Gesundheitsversorgung, wurde in den ersten Monaten nach der Ausrufung der Republik zur größten Hypothek für den neuen Staat. Würde das kleine „Restösterreich“ wirtschaftlich überleben können? Viele zweifelten daran. Und würde die junge Demokratie die innenpolitischen Zerreißproben überstehen, den Bürgerkrieg, wie er sich im Nachbarland Deutschland abzeichnete, vermeiden können? Fragen über Fragen, die sich Anfang 1919 stellten.

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