Syrische Armee verkündet Einmarsch in Stadt Manbij

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Das Assad-Regime kommt den kurdischen Milizen in Nordsyrien zu Hilfe. Sie hatten nach dem angekündigten US-Truppenrückzug einen Einmarsch durch die Türkei befürchtet.

Die syrische Armee ist am Freitag in die nordsyrische Stadt Manbij einmarschiert. Das teilte ein Armeesprecher im Staatsfernsehen mit. Die syrische Flagge sei über der Stadt gehisst worden. Die Truppen kämen ihrer Verpflichtung nach, die staatliche Souveränität auf dem gesamten syrischen Staatsgebiet sicherzustellen, so das Generalkommando der Armee.

Es ist das erste Mal seit sechs Jahren, dass sich syrische Streitkräfte in der 30 Kilometer von der türkischen Grenze entfernten Stadt befinden.

Die Ankündigung erfolgte kurz nachdem die syrischen Kurden die Regierung in Damaskus um Beistand gegen die Türkei gebeten hatten. "Wir laden die syrischen Regierungstruppen ein, die Kontrolle über die Gebiete zu übernehmen, die wir ihnen entzogen haben, insbesondere von Manbij, und diese Gebiete gegen eine türkische Invasion zu verteidigen", hieß es in einer Erklärung der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG).

APA

US-Abzug macht Weg für türkische Offensive frei

Die YPG rechnen mit dem baldigen Beginn einer türkischen Militäroffensive. Die türkische Armee verstärkte zuletzt ihre Truppenpräsenz an der syrischen Grenze. Von Ankara unterstützte syrische Rebellengruppen schickten ihrerseits zusätzliche Kämpfer nach Manbij.

Nachdem vergangene Woche US-Präsident Donald Trump den Abzug der US-Truppen aus Syrien angekündigt hatte, hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan gedroht, neben der Jihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) auch die YPG aus der Region zu vertreiben. Die YPG kämpfen im Norden Syriens insbesondere gegen den IS und wurden dabei bisher von den USA unterstützt. Trump sieht den IS als weitgehend besiegt an.

Die Türkei sehen in den YPG wegen deren Verbindungen zur verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK eine Bedrohung. Wegen der US-Truppenpräsenz in Nordsyrien hielt sich Ankara bisher mit Angriffen zurück, der geplante Abzug der 2000 US-Soldaten machte nun den Weg für eine Offensive frei. Nach einem Bericht des US-amerikanischen Sender ABC könnte der US-Truppenabzug jedoch mehrere Monate dauern. 

Assads Blatt hat sich gewendet

Für Assad hat sich das Blatt in den knapp acht Jahren seit Ausbruch des Bürgerkriegs somit fast vollständig gewendet. Sah es zunächst so aus, als würde er die Kontrolle über fast das ganze Land verlieren, haben nun seine Truppen mit Hilfe Russlands und Irans weite Teile Syriens wieder unter ihre Kontrolle gebracht.

Wer kämpft wo gegen wen?

Die Regierung: Assads Anhänger beherrschen fast den gesamten westlichen Teil des Landes von Aleppo im Norden über das Zentrum um die Hauptstadt Damaskus bis zur Stadt Daraa im Süden, wo der Aufstand im Frühjahr 2011 begonnen hatte. Regierungstreue Kräfte beherrschen damit den größten Teil der verbliebenen Einwohner und die wichtigsten Städte. Dabei stützt sich Assad nicht nur auf die regulären Streitkräfte, sondern auch auf Verbündete. Dazu gehören örtliche Milizen, die oft von Kriegsherren kommandiert werden, sowie vom Iran unterstützte ausländische Schiitenmilizen wie die Hisbollah aus dem Libanon. Russlands Streitkräfte unterstützen Assad mit Luftangriffen.

Die Rebellen: Eine ihrer letzten verbliebenen Hochburgen ist die Region um die Stadt Idlib im Nordwesten Syriens. Eine der stärksten bewaffneten Gruppen dort ist die Organisation Tahrir al-Sham (HTS), die früher zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehörte. In dem Gebiet leben auch mehr als eine Millionen Menschen, die aus anderen Regionen vor den Assad-Truppen geflohen sind. Die humanitäre Lage ist schwierig.

Die Türkei: Gemeinsam mit sunnitischen syrischen Rebellen beherrschen Ankaras Truppen ein Gebiet nördlich von Idlib rund um die Stadt Afrin. Die türkische Armee war hier im Frühjahr einmarschiert und hatte die Kurdenmiliz YPG vertrieben. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan droht nun mit einer neuen Offensive gegen die Kurden weiter östlich in Nordsyrien.

Die Kurden: Sie beherrschen große Gebiete im Norden und Osten Syriens und haben eine Selbstverwaltung errichtet. Die Kurdenmiliz YPG führt eine Koalition an, zu der auch lokale arabische Gruppen gehören. Die sogenannten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) bekämpfen nahe der Grenze zum Irak eine der letzten Bastionen des IS. Die Kurden kontrollieren auch die wichtigsten Ölvorräte des Bürgerkriegslandes. Mit Blick auf einen möglichen Angriff der Türken überließen sie jetzt die Stadt Manbij den Regierungstruppen.

Die USA: Washington hat etwa 2000 Mann im Land, die die YPG und SDF unterstützen, unter anderem mit Ausbildung. Als Hauptziel nennen sie die Zerschlagung des IS. Die USA führen auch eine internationale Koalition an, die Luftangriffe auf die Extremisten fliegt. Die US-Truppen sollen in den kommenden Monaten aus Syrien abgezogen werden, was die Kurdenmilizen für einen türkischen Angriff verwundbar machen würde. Sie fühlen sich von den USA im Stich gelassen. Im Westirak, also in Grenznähe zu Syrien, will das US-Militär zwei Basen aufbauen, um notfalls von dort in Kämpfe gegen den IS einzugreifen.

Der IS: Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hat ihr früheres Herrschaftsgebiets fast vollständig verloren. Im Osten kontrolliert sie noch ein kleines Gebiet im Tal des Euphrat-Flusses. In den Wüstenregionen Syriens und auch des Iraks sind aber noch Zellen aktiv, die Terroranschläge verüben. Zudem sitzen mehrere Tausend IS-Kämpfer in kurdischen Gefängnissen. Ihr Schicksal ist unklar.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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