„Ich bin ein guter Interpret“: Love, Peace und Vollgas

Lud zu seinem 20-Jahr-Jubiläum in die Küche, schließlich ist DJ Ötzi gelernter Koch.
Lud zu seinem 20-Jahr-Jubiläum in die Küche, schließlich ist DJ Ötzi gelernter Koch.(c) Akos Burg
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DJ Ötzi feiert 20-Jahr-Jubiläum. Am 4. Jänner erscheint seine zweisprachige Retrospektive auf Doppel-CD. Davor traf ihn „Die Presse“ in der Küche.

„Wichtig ist, dass der Bröselteppich ein bisschen Luft hat“, plauderte Gerry Friedle alias DJ Ötzi aus einem längst weggelegten Nähkästchen. Den Beruf des Kochs, seine eigentliche Profession, hat er nämlich vor langer Zeit zugunsten einer Karriere als Tschin-Bumm-Caruso und Mitgrölanimator an den Nagel gehängt. Sie kam ihm jetzt wieder in den Sinn, weil er zu einem Wohlfühltermin der besonderen Art eingeladen hat. Mit „Private Cooking mit DJ Ötzi“ lockte seine Plattenfirma allerlei Tratsch- und Musikjournalisten in die Wiener Restauration Andante.

Dort schlug DJ Ötzi Eier mit hohem Eleganzfaktor auf, legte Hand an Kürbiscremesuppe, Schnitzel und Kaiserschmarren an. Anlass war sein 20-Jahr-Jubiläum im härtesten Eck der Unterhaltungsbranche. Also dort, wo Schlager, volkstümliche Musik und Techno eine unheilige Allianz eingehen.

Neues und Bewährtes

Nicht wahnsinnig überraschend nennt sich das zur Feierstunde präsentierte Doppelalbum „Party ohne Ende“. Darauf treibt er es heiß und auch eiskalt. Einiges hat er neu eingespielt, anderes ist in der bewährten Originalversion zu hören. Und dann ist darauf auch noch Brandneues. Relativ gesehen.

Denn das alte Arbeiter- und Partisanenlied „Bella ciao“ haben heuer ziemlich viele gesungen. Der große Tom Waits genauso wie der obskure El Profesor, den DJ Hugel remixt und der damit ganz Südeuropa einen Sommerhit beschert hat.

Derlei Konkurrenz ficht DJ Ötzi nicht an. Er hat genügend Selbstbewusstsein, auch der ausgelutschtesten Nummer ein ganz eigenes Flair zu geben. Kein Wunder, schließlich stand er schon einmal in der Lederhose in New York und sang „I kimm ausm Landl Tirol, de Berg so hoch und tiaf es Tal.“ Aus dieser Heimatverbundenheit schöpft er Kraft. Plötzlich wechselt die Stimmung. „De Leit san netter, des Bier schmeckt better.“

Und schon steigt heimatlicher Stallgeruch in die Nasen. DJ Ötzi interessiert sich nicht für politische Zusammenhänge. Sein ureigentliches Terrain ist gute Stimmung abseits aller Ideologie. Und so geht es in seiner Lesart von „Bella ciao“ genau um selbige. „Ein volles Glas wird viel zu schnell leer, komm, lass uns lieben, bella ciao, bella ciao“, singt er mit nicht zu wenig Inbrunst.

Mit kindlicher Freude drückt er auf seinem Handy herum und spielt so abgebrühten Kollegen wie Marion Benda und Dominic Heinzl einzelne Tracks aus seiner schmucken Retrospektive vor. Mit „Anton aus Tirol“ und „Ein Stern“ glückten ihm richtige Kracher. Das Highlight aber war seine Version von Bruce Channels „Hey Baby“, mit dem er ganz ohne Alpenvereinsausweis den Gipfel der britischen Charts erklomm. Aufmerksam auf die Nummer wurde er in einem Stadion in Düsseldorf. Bald darauf war er Nummer eins in Dänemark und Irland. Und schließlich im Mutterland des Pop. Das glückte ihm als bislang einzigem Österreicher.

Melancholische Phasen

Eingeladen im britischen Fernsehen bei „Top of the Pops“ plauderte er backstage jovial mit Jazz-Ikone Herbie Hancock, ließ sich von Ex-Beatle Paul McCartney beglückwünschen. Highlights, die ihm, der mit 16 Jahren einige Monate obdachlos war, niemand mehr nehmen kann.

Trotz der Höhenflüge oder vielleicht auch gerade deshalb durchlebte DJ Ötzi auch nachdenkliche, melancholische Phasen. Hier legte Ehefrau Sonja Hand an und lehrte den von der „Party ohne Ende“ Erschöpften wieder „Langeweile“, ein viel zu häufig zu gering geschätztes Gut. DJ Ötzi ging zweimal den Jakobsweg. Das half. Mittlerweile hat er seine Halbplayback-Auftritte eingeschränkt und tritt mit eigener Band auf. „Ich hab' zwar nicht so viel Leute wie Andreas Gabalier, aber ich weiß jetzt, dass die, die da sind, nur wegen mir gekommen sind.“

Die Phase mit dem schlechten Selbstvertrauen hat er jedenfalls hinter sich gelassen. „Ich bin ein guter Interpret“, sagt er. Nachsatz: „Wie Elvis.“ Nicht einmal beim Donauinselfest vor 100.000 Zuschauern hat er sich aus dem Konzept bringen lassen. „Es gab eine einzige Nummer, bei der ich nicht textsicher war. Ausgerechnet bei der schien mir die Sonne auf den Teleprompter, so dass ich nichts lesen konnte“, lacht er.

Mit ausgiebigen „Wo sind die Hände?“-Rufen konnte er die heikle Situation entschärfen. Aber noch viel wichtiger sei etwas anderes gewesen. „Dass ich ihn überlebt habe, den großen Erfolg.“ Alles, was jetzt noch kommt, ist Zugabe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.01.2019)

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