Wien hat ein Arbeitslosenproblem

Wien hat ein Arbeitslosenproblem
Wien hat ein ArbeitslosenproblemAPA/HERBERT NEUBAUER
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Mit 12,3 Prozent ist in Wien die Arbeitslosenquote immer noch viel zu hoch. Die Situation könnte sich verschärfen. Denn viele Wiener Arbeitslose sind schwer vermittelbar.

Wien. Am Neujahrstag hat die Regierung die Arbeitslosenzahlen für Dezember bekannt gegeben. Am gestrigen Mittwoch veröffentlichte das Arbeitsmarktservice (AMS) die durchschnittlichen Arbeitslosenzahlen für das Gesamtjahr 2018. Diese sind aussagekräftiger als die Dezemberwerte, weil in Österreich die Arbeitslosenquote in den Wintermonaten immer höher ist.

Die „Presse“ analysiert auf Basis der Jahreswerte, wo und in welchen Bevölkerungsgruppen es auf dem Arbeitsmarkt Probleme gibt: So ist im Vorjahr die Zahl der arbeitslosen Personen und Schulungsteilnehmer um 7,6 Prozent auf 380.846 gesunken. Auch bei Personen, die älter als 50 sind, wurde ein Rückgang von 4,6 Prozent verzeichnet. Demnach sorgen die gute Konjunktur und der Fachkräftemangel dafür, dass auch ältere Arbeitslose wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Nicht ganz so gut ist die Lage bei Ausländern, hier sank die Arbeitslosigkeit lediglich um 2,5 Prozent.

Die Arbeitslosenquote nach nationaler Berechnung fiel um 0,8 Prozentpunkte auf 7,7 Prozent. Im Bundesländervergleich zeigt sich jedoch, dass Wien das größte Arbeitslosenproblem hat. Zwar ging auch hier die Zahl der Arbeitslosen um 4,8 Prozent zurück. Trotzdem suchen immer noch 147.692 Personen einen Job. In keinem anderen Bundesland ist die Arbeitslosenquote so hoch wie in der Bundeshauptstadt (12,3 Prozent). Am niedrigsten ist sie in Tirol mit 4,9 Prozent, gefolgt von Oberösterreich und Salzburg mit 5,0 Prozent.

In den vergangenen Jahren wurde viel darüber diskutiert, was getan werden kann, damit mehr Wiener Arbeitslose in anderen Bundesländern einen Job annehmen. Die Vorschläge reichten von finanziellen Anreizen bis zu strengeren Zumutbarkeitsregeln. Doch in der Praxis stellt sich heraus, dass Betriebe in Westösterreich oft lieber Bewerber aus Ungarn oder der Slowakei nehmen als Wiener Arbeitslose. Zuletzt wurde nur bei 17 Prozent der vom Wiener AMS vermittelten Stellen ein Wechsel in ein anderes Bundesland verzeichnet.

Das Problem in Wien ist die hohe Sockelarbeitslosigkeit. Hier geht es um Arbeitslose, die aufgrund von Qualifikation, Alter und Gesundheitszustand schwer vermittelbar sind. Diese Menschen finden auch bei besonders guten konjunkturellen Rahmenbedingungen schwer eine Stelle.

Trotz Finanz- und Wirtschaftskrise sind in Österreich seit 2007 rund 480.000 neue Jobs entstanden sind. Viele Stellen gingen aber an Zuwanderer aus Zentral- und Osteuropa. In manchen osteuropäischen Ländern ist die Arbeitslosenquote mittlerweile niedriger als in Österreich.

Angst vor AMS-Algorithmus

Das Problem mit der Wiener Sockelarbeitslosigkeit könnte sich noch verschärfen. Denn das Arbeitsmarktservice plant, die Arbeitslosen mit einem Computer-Algorithmus zu bewerten.

Demnach sollen die Menschen in drei Gruppen eingeteilt werden. Die Kategorie A steht für hohe Chancen auf dem Arbeitsmarkt. In die Kategorie B fallen Menschen mit mittleren Chancen. Schwer haben es Menschen in der Kategorie C. Derzeit wird der Algorithmus testweise eingesetzt. Ab 2020 soll er österreichweit angewendet werden. Die rot-grüne Wiener Stadtregierung hat damit keine Freude. Denn ein früherer Test des Wiener AMS soll laut Angaben der Stadtregierung ergeben haben, dass 44 Prozent der Wiener Arbeitslosen in die C-Kategorie fallen. Es ist zu befürchten, dass bei diesen Menschen künftig weniger Interventionen gesetzt werden. Anstelle von teuren Ausbildungen würde diese Gruppe eher Programme zur sozialen Stabilisierung bekommen.

Die Wiener Stadtregierung warnt, dass im schlimmsten Fall fast jeder zweite Arbeitslose in Wien als unvermittelbar eingestuft wird. AMS-Vorstand Johannes Kopf verteidigt hingegen den Algorithmus. Denn die Letztentscheidung, wie beispielsweise über eine Ausbildung, treffe nicht der Computer, sondern der AMS-Betreuer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.01.2019)

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