Jenseits des Neptuns: Zwei zusammengeklebte Eiskugeln

Der größere Ball heißt Ultima, der kleinere Thule.
Der größere Ball heißt Ultima, der kleinere Thule.(c) APA/AFP/NASA/Johns Hopkins Unive (HO)
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Nasa-Mission. Die Sonde New Horizons ist am 6,4 Milliarden Kilometer entfernten Himmelskörper Ultima Thule vorübergeflogen.

Thule nannten die alten Griechen eine mythische Insel am Rand der Welt. Die Welt, wie sie die heutige Kosmologie beschreibt, hat keinen Rand, unser Sonnensystem auch nicht: Wie weit es sich erstreckt – und wann der interstellare Raum beginnt – kann keiner sinnvoll definieren. Doch seitdem Pluto 2006 der Planetenstatus aberkannt worden ist und somit Neptun der äußerste Planet ist, kann man sagen: Jenseits des Neptun (4,5 Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt) beginnt das Draußen, das kalte, dunkle Reich der transneptunischen Objekte, auch Kuipergürtel genannt. Noch weiter draußen vermuten die Astronomen die Oortsche Wolke als Heimat der langperiodischen Kometen. Wenn es sie gibt, wird sie wohl mit steigender Sonnenentfernung immer dünner. Der nächste Stern, Alpha Centauri, liegt dann 40 Billionen Kilometer weit weg, sein Licht braucht über vier Jahre bis zu uns.

Bis auf 3000 Kilometer Abstand

Dagegen ist das transneptunische Objekt mit der amtlichen Bezeichnung (485958) 2014 MU69 uns richtiggehend nahe; und doch versteht man, dass die Köpfe hinter der am 19. Jänner 2006 gestarteten Nasa-Expedition New Horizons es (provisorisch) Ultima Thule genannt haben: Es ist das bisher erdfernste Objekt, dem sich eine irdische Sonne genähert hat. Wobei „genähert“ auch relativ ist und diesfalls „bis auf einen Abstand von 3000 Kilometern“ bedeutet. Beim rasenden Vorbeiflug – 51.500 Stundenkilometer! – konnten immerhin Fotos gemacht werden, auf denen man die originelle Form von Ultima Thule erkennt. Dieser ungefähr 30 Kilometer lange Körper besteht aus zwei aneinander geklebten Eiskugeln. Ohne viel Mühe kann man ihn als Schneemann sehen. Damit steht Ultima Thule in einer Tradition der fantasievollen Nomenklatur für kleine Himmelskörper: Der Komet Tschurjumow-Gerassimenko, dem 2014 die Sonde Rosetta nahe kam, erinnerte die Astronomen an eine Badeente; der 2005 entdeckte Zwergplanet Makemake (im Kuipergürtel heimisch) wurde Osterhase genannt, allerdings nicht wegen seiner Form, sondern wegen der Zeit seiner ersten Sichtung.

Bei Ultima Thule handle es sich „um zwei komplett verschiedene Objekte, die zusammengewachsen sind“, erklärt Alan Stern, Chef der New-Horizons-Mission: Wahrscheinlich seien die beiden Objekte – vom größeren spricht man jetzt als Ultima, vom kleineren als Thule – eine Zeit lang umeinander herumgeflogen (gewählter ausgedrückt: Sie hätten ein binäres System gebildet), bis sie aneinander angedockt hätten.

Die Sonde, die schon im Juli 2015 am Pluto vorübergeflogen ist, hat auch Ultima Thule mit allen ihren Instrumenten analysiert, die Übermittlung der Daten soll aber bis Ende 2020 dauern. Man will daraus auch über die Geschichte des Sonnensystems lernen: Die tiefgefrorenen transneptunischen Objekte konservieren, so heißt es, die Bedingungen, die zu dessen Anfängen vor 4,6 Milliarden Jahren geherrscht haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.01.2019)

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