Eine neu gegründete, überparteiliche "Mittelstandsvereinigung" will politischen Druck ausüben und für gerechtere Verhältnisse in Österreich sorgen. Politisches Ziel ist ein schlanker Staat mit möglichst niedrigen Steuern.
Wie „ausgesackelt“ ist der österreichische Mittelstand? Viel zu sehr, meinen die Betroffenen. Zunehmend bildet sich Widerstand der „Nettozahler“ im Sozialsystem. Denn diese werden immer weniger: Nur noch ein Viertel der Österreicher – beziehungsweise 1,9 von 3,9 Millionen Erwerbstätigen – zahlen mehr ins System ein, als sie an Leistungen empfangen.
Die ÖVP hat dieses Thema mit der Debatte um ein „Sozialtransferkonto“ – allerdings etwas ungeschickt – zu besetzen versucht. Mittlerweile hat die SPÖ dies (unter anderem mithilfe der Umbenennung in „Transparenzdatenbank“) abzuwürgen versucht.
Für den Wirtschaftsforscher Bernhard Felderer vom Institut für Höhere Studien ist der Befund klar: „Der Mittelstand wird ganz schön geschröpft.“ Im internationalen Vergleich gebe es hohe Steuer- und Sozialversicherungsabgaben. Unter diesen Umständen zu arbeiten sei wenig attraktiv. Auf der anderen Seite profitiere der Mittelstand (laut Felderer zwischen 40.000 und 100.000 Euro Jahresbruttoverdienst) kaum von den Transferleistungen, die mit diesen Steuern finanziert werden – es sei denn, man hat viele Kinder.

Förderungen streichen
Dass es zu einer gewissen Umverteilung kommen muss, ist auch für Felderer nachvollziehbar, derzeit gehe man da aber zu weit. Die Konsequenz daraus: Bei der nächsten Steuerreform dürfe man nicht nur auf die unteren Einkommensschichten schauen, sondern müsse auch den mittleren Bereich entlasten. Was aber auch bedeute, dass es gleichzeitig ausgabenseitige Maßnahmen geben müsse. Felderer sieht da nicht gleich die typischen Sozialausgaben im Mittelpunkt: Man solle auch die Frage stellen, ob der Staat unbedingt den Wohnbau, bestimmte Sparformen oder aber auch Sportvereine fördern müsse.

Doch von derartigen Einsichten ist die Politik derzeit noch weit entfernt. Um da Druck zu machen, hat sich eine eigene „Mittelstandsvereinigung“ gebildet, die nächste Woche präsentiert wird. Der prominente, mittlerweile pensionierte ORF-Journalist Walter Sonnleitner hat sich als (ehrenamtlicher) Präsident zur Verfügung gestellt. An der Spitze der Bewegung werden weiters die Unternehmer Robert Glock und Veit Schalle sowie der Anwalt Alexander Scheer stehen. Um 120 Euro Jahresmitgliedsbeitrag ist man dabei. Die derzeit aufgelisteten Mitglieder der Gruppierung – nicht aber Sonnleitner selbst – weisen eine Schlagseite in Richtung BZÖ auf. Allerdings sieht man sich strikt überparteilich.
Live-Chat
Den Mittelstand definiert der Generalsekretär der Vereinigung, Hannes Thomasberger, im Gespräch mit der „Presse“ so: „Jeder, der den Sozialstaat finanziert.“ Diese Gruppe werde in der Parteienlandschaft derzeit aber nicht wirklich vertreten. Man wolle daher ein aktives Netzwerk bilden, das sozusagen „Watchdog“ ist, aufklärend wirkt und seine Klientel im Notfall sogar juristisch verteidigt. So ist es laut Thomasberger durchaus vorstellbar, die kürzlich in Wien abgehaltene Volksbefragung genauer unter die Lupe zu nehmen. Denn dabei könne es sich um Amtsmissbrauch einer wahlwerbenden Gruppe, nämlich der Wiener SPÖ, handeln. Die Folgekosten mancher Maßnahmen (etwa U-Bahn-Betrieb in der Nacht), trägt natürlich – erraten – der Mittelstand. Kritisch steht die neue Vereinigung auch der Zwangsmitgliedschaft bei den Kammern gegenüber.
Die Zukunft der politischen Arbeit sieht man nicht bei herkömmlichen politischen Parteien. Folgerichtig will das Forum auch nie zu einer werden.
Politisches Ziel ist ein schlanker Staat mit möglichst niedrigen Steuern, höchstmöglicher Erwerbsfreiheit und reformfreundlichem Klima.
>> Broschüre der Österreichischen Mittelstandsvereinigung (PDF)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.04.2010)