Neuschnee sorgt für Sperren, Evakuierungen und einen Lawinenabgang

In der Steiermark kam es aufgrund starker Schneefälle zu Verkehrsbehinderungen. Die B320 Ennstal Bundesstraße wurde in Espang, Gemeinde Mitterger-Sankt Martin, wegen Lawinengefahr gesperrt.
In der Steiermark kam es aufgrund starker Schneefälle zu Verkehrsbehinderungen. Die B320 Ennstal Bundesstraße wurde in Espang, Gemeinde Mitterger-Sankt Martin, wegen Lawinengefahr gesperrt.APA/EXPA (MARTIN HUBER)
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Heftige Schneefälle, starker Wind und tiefe Temperaturen haben zu einem hohen Lawinenrisiko in weiten Teilen Österreichs geführt. Mit Unfällen, Staus und Flugausfällen als Folge. Bei einem Lawinenabgang in Salzburg wurde ein Skitourengeher verschüttet. Er konnte unverletzt geborgen werden.

Damit es zu einem Lawinenabgang wie in Galtür 1999 mit insgesamt 38 Todesopfern kommt, muss viel passieren. Vor allem braucht es Unmengen an Schnee. Drei Wochen am Stück hatte es damals stark geschneit. In der Region im Südwesten Tirols herrschte – zum bis dahin ersten Mal seit Einführung der Skala vor 25 Jahren – die höchstmögliche Lawinenwarnstufe 5.

Seither wurde diese Stufe nur ein weiteres Mal ausgerufen. Und zwar an einem Tag im vergangenen Winter, ebenfalls in Tirol. Keine Stunde zu früh, wie sich später herausstellte. Denn ein Haus, das im gefährdeten Gebiet evakuiert werden musste, wurde wenig später zerstört. Eine derartige Gefährdungslage wurde bis Freitag in weiten Teilen Tirols, Vorarlbergs, Salzburgs, Oberösterreichs und der Steiermark auch für dieses Wochenende befürchtet – bis in der Nacht auf Samstag leichte Entwarnung gegeben werden konnte. Die Schneefälle ließen nach, maximal kamen bis Samstagfrüh 23 Zentimeter Neuschnee hinzu, diesen Spitzenwert erreichten laut Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) Kufstein und der Feuerkogel in Oberösterreich. Zudem verbesserten sich die Niederschlagsprognosen für die kommenden Tage. Die Schneefälle sollten spätestens im Laufe des Montags weniger werden.

Entspannung ab Dienstag

Daher dürfte in den betroffenen Regionen noch bis inklusive Montag die Lawinenwarnstufe 4 gelten, ehe sich die Lage ab Dienstag endgültig beruhigen dürfte. Die Stufe 4 („groß“) bedeutet, dass sich Lawinen auch bei geringer oder gar keiner Zusatzbelastung lösen können. Zu dieser Situation geführt hat ein „Trio Infernal“, wie es Rudi Mair, Leiter des Tiroler Lawinenwarndienstes, im Gespräch mit der „Presse am Sonntag“ ausdrückt. Also heftige, seit einer Woche anhaltende Schneefälle; starker Wind, der den Neuschnee komprimiert und verfrachtet, sodass die gefährlichen Schneebretter entstehen, die aufeinander liegen und daher besonders leicht abgehen können; und tiefe Temperaturen, die dafür sorgen, dass sich der Neuschnee nicht setzen und verfestigen kann – extreme Kälte erhöht die Lawinengefahr also nicht zwangsläufig, kann sie aber in jedem Fall verlängern. „Das ist wie mit Lebensmitteln“, sagt Mair. „Kälte konserviert. In diesem Fall eben die Lawinengefahr.“

Auf eine Schaufel und schütteln. Die Beschaffenheit von Schnee und somit Lawinengefahr kann im Übrigen relativ einfach selbst überprüft werden: eine Schaufel mit Schnee füllen und schütteln – zerfällt der Schnee, ist er kaum gebunden, die Gefahr ist also eher gering. Bleibt er hingegen stabil in seiner Form, handelt es sich um ein Schneebrett bzw. eine Schneetafel und diese können sich leicht lösen – und dabei schnell 100 km/h und mehr erreichen.

Würde es jetzt noch drei, vier Tage lang stark schneien, würde wahrscheinlich an besonders steilen Hängen Lawinenwarnstufe 5 herrschen. Dafür braucht es aber Mair zufolge mehrere hundert Meter Höhenunterschied und reichlich Schnee, wodurch die Lawine immer größer wird und (als Staublawine) bis zu 300 km/h erreicht. Eine solche Lawine kann auch große Häuser problemlos mitreißen. Wird die Stufe 5 ausgerufen, sind also weitreichende Sicherheitsmaßnahmen die Folge, die unter anderem Bürgermeister und Liftbetreiber miteinbeziehen.

Lawinenabgang in Salzburg

Und auch, wenn dieses Szenario ausblieb, gefährlich blieb die Situation dennoch – in Thumersbach bei Zell am See wurde am frühen Nachmittag ein Skitourengeher von einer Lawine verschüttet. Er konnte selbst die Einsatzkräfte alarmieren und wurde unterkühlt, aber ansonsten unverletzt geborgen. Weil ein Rettungshubschrauber nicht landen konnte, mussten Bergretter die Unglücksstelle zu Fuß erreichen. Der Anstieg dauerte gut eine Stunde. In der Steiermark mussten in der Ortschaft St. Johann am Tauern wegen der großen Lawinengefahr sogar 14 Häuser evakuiert werden. Die Bewohner wurden in Wohnungen der Gemeinde untergebracht.

Staus und Sperren

Zudem sorgte das Winterwetter auch am Samstag für zahlreiche Staus, Verkehrsunfälle und Flugausfälle. Bereits in der Früh führten die Fahrbahnverhältnisse zu einer Totalsperre der Wiener Außenring Autobahn (A21) in Niederösterreich. Zahlreiche Lkw waren hängen geblieben. Erst zu Mittag wurde die Sperre wieder aufgehoben. Zäher Verkehr herrschte den ganzen Tag auf der Westautobahn (A1) im Raum Wien. Auch Ausweichrouten wie die B11 im Bereich Heiligenkreuz waren stark belastet. Bis zum Nachmittag wurden auf Niederösterreichs Straßen die Einsatzkräfte zu mehr als 90 Verkehrsunfällen gerufen. Die größten Verzögerungen und Staus gab es auf den Verbindungen von Ungarn Richtung Deutschland.

In Oberösterreich behinderten hängen gebliebene Lkw den Verkehr auf der Innkreisautobahn (A8) Richtung Suben, mehrere Kilometer Stau waren die Folge. Mit der Rückreise der Urlauber aus den Skigebieten rollten auch in Salzburg die Kolonnen auf der Tauernautobahn (A10) ab dem Knoten Pongau Richtung Bayern nur langsam. Um einen Lawinenabgang auf die Tauernautobahn A10 vorzubeugen, wird die Asfinag am Sonntagvormittag bei Flachau im Pongau eine kontrollierte Sprengung durchführen. Die Autobahn wird deshalb am Sonntag von 8.30 bis etwa 9.30 Uhr in beide Fahrtrichtungen gesperrt.

In Tirol brauchten Autofahrer etwa auf der Fernpass-Strecke Richtung Bayern rund eine Stunde länger. Auf dem Flughafen Innsbruck mussten mehrere Abflüge – darunter auch nach den Drehkreuzen London und Frankfurt – gestrichen werden. Zahlreiche Flüge mit Ziel Innsbruck wurden umgeleitet.

Warnstufen

Stufe 4. In weiten Teilen Österreichs herrscht die Lawinenwarnstufe 4 („groß“). Das bedeutet, dass sich Lawinen auch bei geringer oder gar keiner Zusatzbelastung lösen können.

Stufe 5. Die höchste Stufe („sehr groß“) wurde erst zwei Mal seit Einführung der Skala ausgerufen. 1999, als es zur Katastrophe in Galtür kam, und im vergangenen Winter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 6.1.2019)

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