Würmer essen für Einsteiger

Der „Hive Explorer“ liefert jede Woche rund 30 Gramm beste Proteine – in Mehlwurmform.
Der „Hive Explorer“ liefert jede Woche rund 30 Gramm beste Proteine – in Mehlwurmform.(c) Archiv
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Eine Österreicherin erfindet eine Hightech-Insektenfarm für den Küchentisch. Das Gerät ist eine Mischung aus Biologie-Lernspielzeug und Zeitmaschine zur Ernährung der Zukunft.

Warum sollen wir noch einmal Würmer essen? Selbst gezüchtete noch dazu? Auf solche Fragen antwortet Katharina Unger, Erfinderin der ersten Mehlwurmfabrik für den Küchentisch, mittlerweile selbst im Schlaf. Die Kernbotschaft: Insekten sind gesund, proteinreich, ihre Zucht spannend. Und früher oder später haben wir sowieso keine andere Wahl. Bald werden neun Milliarden Menschen auf der Erde leben, ihr Appetit auf Fleisch steigt. Die Ackerflächen, auf denen das Futter für unser Schlachtvieh produziert wird, schrumpfen hingegen. Kurz: Irgendwann wird nicht genug (gutes) Fleisch da sein, um den Proteinbedarf der Menschen zu stillen. Und wenn dann die Industrie klammheimlich Insektenmehl in die Produkte schummelt, ist es doch besser, die Proteinversorgung in der eigenen Hand zu haben, erzählt die Industriedesignerin und Gründerin von Livin Labs.

Ihr „Hive Explorer“ ist der erste Schritt in diese Richtung. Das Gerät ist so groß wie ein Klapptoaster und eine Mischung aus Insektenfarm und Biologie-Lernspielzeug. Das Vorgängergerät, den deutlich größeren Hive, hat sie bereits in 38 Länder verkauft. Nun sollten auch Kinder und Jugendliche für die Zukunft der Ernährung begeistert werden. „Es gibt eine Menge Werkzeugkästen zur Förderung der naturwissenschaftlichen Fächer“, sagt Unger. „Die meisten haben aber irgendetwas mit Robotern oder Coding zu tun. Die Biologie kommt viel zu kurz.“.

Wie der große Bruder, wird auch der „Hive Explorer“ komplett mit Babymehlwürmern geliefert. Sind diese in die Lade eingesetzt, übernimmt das Gerät einen Großteil der Arbeit von selbst. Ventilatoren, Filter und Heizung sorgen für ein optimales Mikroklima für die Mehlwürmer. Sind die Würmer groß genug, um gegessen zu werden, klettern sie selbst über die Ernterampe. Als Futter genügen Küchenabfälle wie etwa Karottenschalen. Pro Woche können 20 bis 30 Gramm geerntet werden. Dann geht es ab ins Gefrierfach, bevor die Insekten geröstet, getrocknet oder angebraten verkocht werden.

Wetteifern um den dicksten Wurm. Anders als das Vorgängermodell ist der Hive Explorer Linux-basiert und hat Schnittstellen für alle gängigen Sensoren. Er kann also etwa mit Bewegungssensoren aufgerüstet werden, Licht, Temperatur und Feuchtigkeit können über eine App individuell verändert werden. Das soll es ermöglichen, mit dem „Hive Explorer“ auch zu experimentieren und herauszufinden, unter welchen Bedingungen die Mehlwürmer jeweils am besten wachsen. In den USA und in Hongkong, wo Katharina Unger ihre Firma gegründet hat, haben etliche Schulen das Gerät bereits im Einsatz. „Dort gibt es regelrechte Wettkämpfe zwischen den Klassen, wer die dicksten Würmer züchten kann“, erzählt die Gründerin. Ergänzend zum Gerät erscheint zweimal im Jahr ein Magazin über Nachhaltigkeit, das auch immer neue Experimente für den Hive Explorer enthalten soll.

Derzeit ist die Mehlwurmfarm für den Küchentisch auf Kickstarter um etwas über hundert Euro zu haben. Die Kampagne läuft noch bis zum elften Jänner. Spätentschlossene werden auch danach noch die Chance haben, einen Hive Explorer zu kaufen. „Er wird aber mit Sicherheit teurer sein als jetzt“, sagt Unger. All jenen, die beim Gedanken an Mehlwürmer im Mund noch der Ekel packt, erzählt sie gern von ihren Startversuchen: „Die Überwindung war anfang groß“, sagt die Gründerin. Heute kocht sie ihre Fleischlaibchen schon wie selbstverständlich aus Mehlwürmern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.01.2019)

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