Der deutsche Innenminister will bis vor Kurzem "null" vom Datenklau bei Hunderten Politikern und Prominenten gewusst haben. Auch der Chef der IT-Behörde steht in der Kritik.
Berlin/Wien. Im deutschen Datendiebstahlskandal gerät neben dem Präsidenten des Bundesamts für IT-Sicherheit (BSI), Arne Schönbohm, auch der deutsche Innenminister Horst Seehofer immer mehr in die Kritik der Opposition. Seehofer, der am Wochenende einen seiner letzten Auftritte als Nochvorsitzender der CSU bei deren Winterklausur im Kloster Seeon gehabt hat, ist die Behörde unterstellt.
Der „Süddeutschen Zeitung“ zufolge erfuhr Seehofer nach eigenen Angaben erst am Freitagvormittag von dem Datenklau bei Hunderten Politikern und zahlreichen Prominenten. „Vorher: null“, sagte der CSU-Politiker dem Medium laut Vorausbericht am Sonntag. Seither habe es eine ganze Serie von ihm angestoßener Gespräche zur Aufklärung des Falls gegeben. Am Montag werde er die leitenden Beamten des BSI und des Bundeskriminalamts treffen. Er rechne damit, die Öffentlichkeit „spätestens Mitte der Woche ausführlich zu informieren“.
Fraglich ist, ob das ausreicht. Denn die Opposition entdeckte als Thema das Behördenmanagement des Angriffs, der sich bereits im Dezember 2018 zugetragen hatte. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte den Innenminister auf, die Aufklärung des Falls zur Priorität zu machen. „Es geht um den Schutz unserer Demokratie“, sagte Klingbeil gestern den Zeitungen der Funke-Gruppe.
Am vergangenen Freitag war bekannt geworden, dass personenbezogene Daten wie Mobilfunknummern und E-Mail-Adressen, aber auch Chats und private Fotos deutscher Politiker und anderer Prominenter im Internet verbreitet worden waren. Vor allem das BSI sieht sich Vorwürfen ausgesetzt, dass die Behörde erst spät auf die über einen Twitter-Account im Internet vor Weihnachten angelaufene unbefugte Veröffentlichung aufmerksam geworden ist. Bisher ist nicht bekannt, ob der Urheber durch das Eindringen in Computernetze an die Daten gelangt ist.
Widersprüchliche Aussagen
Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter nannte die Informationspolitik des BSI gegenüber den Opfern der Attacke „stark irritierend“. „Dazu müssen sich das BSI und Präsident Arne Schönbohm dringend erklären.“ Linksfraktionschef Dietmar Bartsch sagte, ebenfalls gegenüber Funke-Medien: „Im BSI muss über Struktur, Aufgaben und Informationspolitik neu entschieden werden.“ BSI-Chef Schönbohm hatte widersprüchliche Aussagen über den Zeitpunkt des Bekanntwerdens des Datenklaus und des Einschreitens seiner Behörde getätigt.
Der CDU-Innenexperte Armin Schuster forderte unterdessen mehr Durchgriffsrechte für die Behörden. „Wir brauchen dringend Gesetze, die höhere Sicherheitsstandards, sowohl technisch etwa bei Routern als auch für die Nutzung der sozialen Netzwerke, vorschreiben“, sagte er der „Bild am Sonntag“. Zudem müsse die Polizei ermächtigt werden, aktive Cyberabwehr zu betreiben, also Täter im Netz „angreifen zu können, ihnen die gestohlenen Daten wieder wegzunehmen oder sie zu löschen“. (ag./red.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2019)