Europas gefährlicher Platz auf der Tribüne der Weltwirtschaft

Mitteleuropa und vor allem Deutschland leben nach wie vor von einem starken Rückgrat in Form des Mittelstands sowie von einigen Großkonzernen.
Mitteleuropa und vor allem Deutschland leben nach wie vor von einem starken Rückgrat in Form des Mittelstands sowie von einigen Großkonzernen.(c) APA/AFP
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Der Handelsstreit zwischen den USA und China dominiert derzeit die globale Wirtschaft. Die EU ist dabei nur Zuseher. Das könnte künftig öfter der Fall sein.

Es ist ein wichtiges Treffen, zu dem eine US-Delegation am Montag in China erwartet wird. Erstmals seit mehreren Wochen wird es wieder direkte Verhandlungen zwischen den USA und China geben. Durch sie soll der – trotz des Anfang Dezember verkündeten „Waffenstillstands“ – nach wie vor schwelende Handelskrieg beendet werden. Eine Einigung hätte dabei nicht nur für die beiden Streitparteien große Auswirkungen, sondern auch für Europa und Österreich. Denn der Konflikt zwischen Washington und Peking belastet die gesamte Weltwirtschaft. Er hat maßgeblichen Anteil an der Achterbahnfahrt, auf der sich die Weltbörsen bereits seit Monaten befinden.

US-Präsident Donald Trump gab sich im Vorfeld des Treffens zuversichtlich. Zwischen den Zeilen seiner Twitter-Nachrichten gab er zu verstehen, dass er zum Einlenken bereit sei, sobald es einen „Deal“ gebe. Die Zeichen dafür stehen nicht schlecht. Schließlich wäre auch für seinen Widerpart Xi Jinping eine baldige Lösung wichtig. Das chinesische Wachstum ist 2018 erneut zurückgegangen, die Nationalbank musste bereits vier Mal den Mindestreservesatz für Geschäftsbanken senken, um die Kreditvergabe und somit die Wirtschaft am Laufen zu halten.

Dennoch besteht weiterhin große Unsicherheit, ob der Konflikt nun beendet werden kann. Wie angespannt das Verhältnis der beiden Länder ist, zeigt der Disput um die Finanzchefin des chinesischen Huawei-Konzerns. Sie wurde Anfang Dezember in Kanada festgenommen, weil die USA ihr Verstöße gegen Sanktionen vorwerfen. China sieht darin eine politische Intrige und hat mit der zeitweiligen Festnahme von 13 kanadischen Staatsbürgern reagiert. Das führte dazu, dass die USA erst in der Vorwoche eine Reisewarnung für China aussprachen. Keine guten Voraussetzungen für eine Deeskalation.

Aber auch abseits dieser Unsicherheit kann man die Situation als Zäsur deuten – für Europa. Denn sie zeigt, dass sich in der globalen Wirtschaft zunehmend die Gewichte verschieben. So sind es die USA und China, die in ihrem Wettstreit die Entwicklung der Weltwirtschaft bestimmen. Die Europäische Union – obwohl erst unlängst von den USA vom Thron der größten Wirtschaftsmacht der Welt gestoßen – sitzt dabei immer öfter nur mehr auf der Tribüne und muss zusehen.

Denn bei dem Wettstreit geht es nicht allein um Größe, es geht um technologische Führerschaft. Nachdem sie in der „alten“ Industrie ins Hintertreffen geraten sind, haben die USA dank Silicon Valley, das Talente aus der ganzen Welt anzieht, im Techbereich seit Jahren wieder die Vorreiterrolle inne. An Google, Apple oder Amazon kommt niemand vorbei. China will diese Vormachtstellung torpedieren und setzt bei seiner Strategie „Made in China 2025“ gezielt auf einzelne Zukunftsbereiche. Mit massiver staatlicher Unterstützung (auch des Geheimdienstes) sollen neue globale Champions erschaffen werden. In Bereichen wie künstlicher Intelligenz oder Elektromobilität fruchtet das bereits.


Und Europa? Mitteleuropa und vor allem Deutschland leben nach wie vor von einem starken Rückgrat in Form des Mittelstands sowie von einigen Großkonzernen. Bei vielen Zukunftstechnologien hinkt man aber auch hier bereits nach. Wesentlich ernster ist die Situation in Frankreich oder Italien – nach dem Brexit immerhin Nummer zwei und drei in der EU. Beide Länder leiden an Reformsklerose, die Pläne von Emmanuel Macron wurden erst im Dezember von den Gelbwesten weggeputscht. Während die Unternehmen immer härterer internationaler Konkurrenz ausgesetzt sind, herrschen in der Heimat Besitzstandswahrung und Reformresistenz – keine optimale Strategie.

Militärisch hat Europa schon vor Längerem den Anschluss verloren. Und auch wenn sich das die friedliebenden Europäer nur ungern eingestehen, geht damit auch geringeres politisches Gewicht einher. Die Wirtschaft ist jener Bereich, in dem Europa bislang noch große Stärke hat. Sollte der Kontinent auch hier ins Hintertreffen geraten, führt das dazu, dass die Europäer im 21. Jahrhundert in allen Bereichen nach Regeln spielen müssen, die andere vorgeben.

E-Mails an:jakob.zirm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2019)

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