Die rumänische EU-Abgeordnete Grapini unterstellt Österreich wegen der Indexierung der Familienbeihilfe die "völlige Verachtung" ihres Landes. Rumänien überlegt den Gang vor den EuGH. Die EU-Kommission überprüft nun das österreichische Gesetz.
Die rumänische Regierung unter Ministerpräsidentin Viorica Dancila überlegt wegen der Indexierung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder eine Klage gegen Österreich vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH). Das gab Außenminister Teodor Melescanu bekannt. Die EU-Kommission gab indes bekannt, die Anfang des Jahres in Österreich in Kraft getretene Indexierung auf ein mögliches Vertragsverletzungsverfahren überprüfen zu wollen. Denn, wie eine Sprecherin am Montag sagte: "Die Indexierung ist laut EU-Recht nicht erlaubt." Nicht eingehen wollte sie darauf, ob sich die Kommission einer Klage Rumäniens vor dem EuGH anschließen werde.
Rumänien erwäge den Schritt, da man es bei der Kürzung der Familienhilfe für in ärmeren Staaten lebende Kinder mit "einem klaren Fall von Diskriminierung" zu tun habe, der gegen sämtliche grundlegenden Werte der EU verstoße, sagte zuvor Außenminister Melescanu. In Österreich tätige rumänische Arbeitnehmer würden ihre Steuern und Abgaben ebenso entrichten wie jeder andere Arbeitnehmer auch, trotzdem würden ihre Kinder nun plötzlich "um bis zu 50 Prozent weniger Beihilfen wie bisher" erhalten, so der Außenminister.
Aus diesem Grund prüfe die Regierung in Bukarest nun Möglichkeiten, um diese "Diskriminierung abzuschwächen". Sollte die rumänische Exekutive tatsächlich beim Europäischen Gerichtshof gegen Österreich klagen, so sei er sich ziemlich sicher, dass sein Land dabei "nicht der einzige Kläger" bleiben werde, fügte Melescanu hinzu.
Vilimsky: "Kosten in Österreich wesentlich höher"
Wenig Verständnis zeigte unterdessen der FPÖ-Delegationsleiter im EU-Parlament Harald Vilimsky für die Kritik aus Rumänien aufgrund der Indexierung der österreichischen Familienbeihilfe. "Wenn Rumäniens Außenamt meint, dass rumänische Staatsbürger diskriminiert würden, wenn sie in Österreich arbeiten und daher bei uns die gleichen Steuern wie alle anderen Bürger zahlen, so wird eine wesentliche Tatsache übersehen: Die österreichische Familienbeihilfe ist - im Gegensatz zur rumänischen - keine Leistung die damit zu tun hat, ob jemand wenig, mehr oder gleich viel Steuern wie jemand anderer zahlt", betonte Vilimsky am Montag in einer Aussendung.
Die Argumentation des freiheitlichen Generalsekretärs: "Unsere Familienbeihilfe ist eine einkommensunabhängige Sozialleistung, die dazu dient, um die anfallenden Kosten für Kinder abzumildern. Und in Österreich sind diese Kosten wesentlich höher als in Rumänien." Daher habe die türkis-blaue Bundesregierung einen "richtigen und notwendigen" Schritt gesetzt, als sie eine Anpassung der Leistungen an die Lebensverhältnisse des jeweiligen Staates beschlossen habe.
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Weiters fügte der der freiheitliche Delegationsleiter im EU-Parlament hinzu: "Ich kenne in Europa kein Land, das eine noch kompliziertere Berechnungsformel für den Bezug von Familienleistungen hat als Rumänien. Da braucht man schon einen Taschenrechner um den Anspruch für staatliches Kindergeld und Familienbeihilfe zu errechnen."
Grapinian Kurz: "Völlige Verachtung" von Rumänien
Auslöser der Debatte waren Äußerungen der rumänischen EU-Abgeordneten Maria Grapini vom Sonntag, gerichtet an Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Sie sprach von einer "völligen Verachtung" ihres Landes und attestierte Staatspräsident Klaus Johannis Untätigkeit. Weiters kündigte sie an, die EU-Kommission in einer Anfrage zum Eingreifen auffordern zu wollen.
Kurz hatte vor Weihnachten Bukarest besucht, um symbolisch den EU-Ratsvorsitz an Rumänien zu übergeben. Dabei stärkte er dem konservativen Präsidenten Johannis, der mit der wegen Angriffen auf den Rechtsstaat umstrittenen sozialdemokratischen Regierung über Kreuz liegt, den Rücken. Johannis sei der "Garant, dass hingesehen und gegengesteuert wird", wenn "etwas schiefläuft", betonte der ÖVP-Chef.
Auf einen Blick
Seit 1. Jänner wird die österreichische Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder entsprechend den dortigen Lebenshaltungskosten indexiert. Rund 400 Kinder, die in reicheren Ländern leben, profitieren davon. 125.000 Kinder sind von einer Kürzung betroffen. In Bulgarien gibt es somit für ein 0- bis zweijähriges Kind nur noch 51,30 Euro Familienbeihilfe monatlich statt bisher 114 Euro. Es wird erwartet, dass die EU-Kommission wegen des umstrittenen Gesetzes ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich einleiten wird.
(APA/hell)