Ex-Nissan-Chef Ghosn beteuert vor Gericht seine Unschuld

Carlos Ghosn muss sich vor Gericht verantworten
Carlos Ghosn muss sich vor Gericht verantwortenREUTERS
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Der in Japan verhaftete Ex-Nissan-Chef Carlos Ghosn hat bei der ersten Anhörung vor Gericht alle Vorwürfe gegen ihn mit deutlichen Worten bestritten.

"Ich bin zu Unrecht angeklagt und ungerechterweise verhaftet worden", sagte der früher hochgeschätzte Auto-Manager Carlos Ghosn am Dienstag vor dem zuständigen Bezirksgericht in Tokio. Er habe - anders als von der Staatsanwaltschaft behauptet - von Nissan nie Bezüge erhalten, die nicht auch öffentlich gemacht worden seien. Er sei zutiefst überzeugt, in seinem Amt bei Nissan stets "ehrenhaft, legal und mit Wissen und Zustimmung" der zuständigen Führungskräfte gehandelt zu haben.

Der japanische Autokonzern beschuldigt den 64-Jährigen, der Nissan einst vor der Pleite bewahrte, sein Einkommen jahrelang nicht vollständig angegeben und Firmengelder für private Zwecke veruntreut zu haben. Seit Mitte November sitzt Ghosn in Untersuchungshaft. Ihm droht nach der Anklage der Staatsanwaltschaft eine lange Gefängnisstrafe.

Sieben Wochen Haft in einer kargen, unbeheizten Zelle mit Toilette in der Ecke gingen an Ghosn nicht spurlos vorbei. Abgemagert, mit eingefallenen Wangen und grauem Haaransatz erschien der Manager vor Gericht, im dunklen Anzug, ohne Krawatte und mit grünen Plastikschuhen. Zwei Bewacher führten den Beschuldigten in Handschellen und mit einem Strick um die Hüften in den Gerichtssaal. Für die aufsehenerregende Anhörung hatten rund 1100 Menschen versucht, einen der 14 begehrten Zuschauerplätze zu ergattern.

Bei dem von Ghosn selbst beantragten Termin sollten die Richter erläutern, warum sie den Manager so lange festhalten. Der Vorsitzende Richter Yuichi Tada sagte, Ghosn sei im Gefängnis, weil Fluchtgefahr bestehe. Außerdem könnte er sonst Beweismittel vernichten. Nissan bekräftigte, eine interne Untersuchung habe substanzielle und überzeugende Belege für Ghosns Fehlverhalten ergeben.

Firmengelder für Privatverlust

Der in Brasilien geborene Franzose mit libanesischen Wurzeln nutzte die Anhörung, um zu den Anschuldigungen Stellung zu nehmen. Nach Ansicht eines bekannten Strafverteidigers ist das riskant, da die Staatsanwaltschaft noch mehr Ansatzpunkte finden könnte. Die Anklage umfasst bisher erst die unvollständige Angabe seiner Bezüge. Vorgeworfen wird ihm aber auch die Veruntreuung von umgerechnet 17 Millionen Dollar aus der Firmenkasse, um private Anlageverluste auszugleichen. Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft ging es um Fehlbeträge bei einem Termingeschäft während der Finanzkrise im Oktober 2008. Der saudische Geschäftsmann Khaled Al-Juffali soll für Ghosn gebürgt haben. Juffalis Firma, zu der auch ein Joint Venture mit Nissan gehört, habe dann von 2009 bis 2012 knapp 15 Millionen Dollar in vier Zahlungen erhalten.

Dazu sagte Ghosn, er habe Nissan gebeten, vorübergehend Sicherheiten für seine Währungsgeschäfte zu stellen. Das sei notwendig gewesen, weil er andernfalls hätte zurücktreten müssen, um seine Altersvorsorge einsetzen zu können. Das habe seine moralische Verpflichtung gegenüber Nissan in diesen schwierigen Zeiten jedoch nicht erlaubt. "Ein Kapitän verlässt nicht das Schiff mitten im Sturm", sagte Ghosn. Nissan habe dadurch keinen Verlust erlitten. Al-Juffali habe die Millionen für wichtige Dienste erhalten wie das Sichern von Finanzierungen für Nissan und die Lösung eines Geschäftsstreits. Das Unternehmen Juffalis erklärte, die Zahlungen seien für rechtmäßige Geschäftszwecke geflossen.

Bis zum Prozess in Haft?

Das Vorgehen der japanischen Justiz ist mit dem Fall Ghosn in Kritik geraten, vor allem wegen der Länge der U-Haft und bis zu acht Stunden langen Verhören von Beschuldigten ohne Beisein ihrer Verteidiger. Ghosn habe sich über die Haftbedingungen nicht beschwert, erklärten seine Anwälte. Angehörige hätten ihn bisher nicht besuchen dürfen.

Während Ghosns Mitangeklagter Greg Kelly am 25. Dezember gegen eine Kaution freigelassen wurde, sehen Ghosns Anwälte kaum Chancen für ein Ende der Untersuchungshaft nach der jetzt noch bis 11. Januar laufenden Frist. Die Verteidiger unter Leitung von Motonari Otsuru wollen Freilassung gegen Kaution beantragen. Bei Angeklagten, die alle Vorwürfe bestreiten, werde das in der Regel aber nicht akzeptiert. Für den 11. Januar erwarten die Anwälte eine weitere Anklage. Bis zu einem Prozess könnten dann mindestens noch sechs Monate vergehen. Damit wächst der Druck auf die Führung von Renault. Sie muss entscheiden, ob Ghosn seinen Chefposten bei dem französischen Autobauer weiter nur ruhen lassen kann oder aufgeben muss.

(Reuters)

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