Europa beendet Schockstarre wegen 49 Bootsmigranten

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Malta blockierte gut zwei Wochen lang seine Häfen. Es forderte von den EU-Mitgliedern Solidarität. Nun sollen die Migranten auf acht EU-Staaten aufgeteilt werden.

Wien/Brüssel. Angesichts der Erfahrungen der vergangenen Jahre, als Hunderttausende Flüchtlinge und Migranten nach Europa strebten, erscheint das Hickhack um jene 49 Seelen, die vor Malta auf einen sicheren Hafen warten, geradezu absurd. Doch der hauptsächliche Grund für diese Absurdität ist eben die Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016: Seit dem Massenandrang an den Außengrenzen der EU befinden sich die europäischen Entscheidungsträger in einer regelrechten Schockstarre – was die Ereignisse rund um die zwei vor Malta ankernden Rettungsschiffe verdeutlichen.

Die Migranten, die von den Schiffen „Sea-Watch 3“ und „Professor Albrecht Penck“ aus dem Mittelmeer gefischt wurden, haben gut zwei Wochen auf Einlass in die EU gewartet. Erst am Mittwoch erklärte sich Malta bereit, die Menschen von Bord gehen zu lassen. Die Regierung des Inselstaats gab Italien die Schuld an der Eskalation – Valletta hatte die zwei Schiffe in seine Hoheitswässer gelotst, nachdem sie Italien wegen stürmischer Seeverhältnisse nicht ansteuern konnten.

Maltas Regierung bleibt nach eigenen Angaben deshalb hart, weil sie sich nicht von anderen Mitgliedsstaaten erpressen lassen möchte – etwa von Italien, wo sich der rechtspopulistische Vizepremier und Innenminister Matteo Salvini damit rühmt, dass in der ersten Jännerwoche keine Migranten gelandet seien – im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres, als 453 Neuankünfte registriert wurden.

"Keine Sternstunde für Europa"

Aus der maltesischen Perspektive liegt die Sache auf der Hand: Die Landung der 49 Migranten (von denen einige in den Hungerstreik getreten waren) konnte nur deswegen erlaubt werden, weil sich genug Unionsmitglieder fanden, die zur Aufnahme der Neuankömmlinge bereit waren. Sie sollen nun auf acht EU-Staaten aufgeteilt werden: Deutschland, Frankreich, Portugal, Irland, Rumänien, Luxemburg und die Niederlande. Auch Italien war zur Aufnahme bereit – aber nur im Rahmen einer europaweiten Umverteilung. Auch für 249 bereits in Malta befindliche Migranten, die gerettet wurden, wurde eine Vereinbarung erzielt.

Der auch für Migration zuständige EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos lobte Malta für seine Solidarität gegenüber den Flüchtlingen und übte zugleich Kritik am Auftreten der EU in den letzten Wochen in der Migrationsfrage: "Das war keine Sternstunde für Europa."

Kein Entgegenkommen gab es hingegen seitens der sich auf ihre katholischen Wurzeln berufenden mittelosteuropäischen Migrationshardliner Polen und Ungarn – und das trotz der Tatsache, dass Papst Franziskus „Solidarität“ mit den gestrandeten Migranten eingefordert hatte. Warschau und Budapest lehnen jegliche europäischen Verteilungsmechanismen ab und weisen – nicht gänzlich unbegründet – darauf hin, dass die Migranten ohnehin in den wohlhabenden west- und nordeuropäischen EU-Mitgliedsstaaten Einlass begehren.

Forciert wurde der verpflichtende Verteilungsschlüssel von Deutschland – doch Berlin hat in der Zwischenzeit de facto eingestanden, dass eine geregelte, quasiautomatische Verteilung der Neuankömmlinge auf alle Mitgliedsstaaten nicht machbar ist. Zuletzt war in Brüssel von einem „Solidaritätsmechanismus“ die Rede gewesen, in dessen Rahmen die Unwilligen auf anderen Wegen mithelfen können – etwa durch die Bereitstellung von Grenzschützern. Doch auch hier gab es Widerstand.

Widerstand gegen harten Migrationskurs

Indes regt sich in Italien Widerstand gegen den harten Kurs der Regierung in Rom. Die Präsidenten der Regionen Toskana, Kalabrien und Piemont haben den Gang zum Verfassungsgericht angekündigt. Sie fordern, dass die Verfassungsmäßigkeit des von Innenminister Salvini entworfenen Migrationspakets geprüft wird, wie italienische Medien zuletzt berichteten. Auch mehrere Bürgermeister stellten sich gegen Salvini. Das neue Maßnahmenpaket sieht eine Verschärfung von Sicherheits- und Einwanderungsgesetzen vor. Besonders umstritten ist der Paragraf, der Gemeinden verbietet, Asylbewerber weiterhin ins Einwohnerregister einzutragen – sie verlieren dadurch den Zugang zu staatlichen Basisleistungen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2019)

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