Eine Nation wird nicht geboren, sondern gemacht

Frankreich. Die Revolution schuf den Nationalstaat. Dazu wollte sie die Regionalsprachen ausrotten. Denn nur wenige sprachen Französisch.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: Wissen wir wirklich, was die französischen Revolutionäre damit meinten? „Die Monarchie hatte gute Gründe, dem Turm von Babel zu gleichen“, erklärte ein gewisser Bertrand Barère 1793 vor dem „Komitee für das öffentliche Wohl“. Aber „bei einem freien Volk muss die Sprache für alle die gleiche sein“. Alles andere wäre „Verrat am Vaterland“. Also müsse man dem „barbarischen Kauderwelsch“ der Regionalsprachen den Garaus machen. Wir lernen: Freiheit heißt, seine Muttersprache nicht mehr verwenden zu dürfen. Gleichheit bedeutet Gleichschaltung. Und das alles im Namen der Brüderlichkeit.

Der Nationalstaat ist, wie die Kleinfamilie, eine ziemlich junge Erfindung. Als sein erstes und klassisches Beispiel gilt das Frankreich ab der Revolution. In ihr stürzte ein Volk seinen absoluten Fürsten und erhob sich selbst zum Souverän. Nun möchte man meinen: Das Territorium, die ethnische Homogenität, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit – das war schon da, geformt durch den monarchistischen Zentralstaat. Aber diese Sicht trügt. Es gab da ein Problem: Die ungebildeten Bauern und Handwerker sollten ja nun in nationalen Belangen mitreden. Dazu aber mussten sie einander erst einmal verstehen.

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