"G'schupfter Ferdl" wird zum "Bruder"

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
  • Drucken

Sammler unter sich: Hubert Peter und Lucas Steindorfer aus dem Rien übernehmen den Gschupften Ferdl – und machen daraus das „Bruder“.

Es scheint, als wären die beiden durchaus vom weiblichen Teil der Verwandtschaft geprägt, jedenfalls ist ziemlich oft von Müttern, Omas, Tanten die Rede. Und weniger als das mit Männlichkeit assoziierte Jagen hat es ihnen das Sammeln angetan. Hubert Peter, der Vorarlberger, hat es von der Mama, Lucas Steindorfer von der Kärntner Oma, die mit ihm Pilze sammeln ging.

Auf die Schwammerln hat er es bis heute abgesehen, während Peter mehr noch für die Suche nach Kräutern und Wurzeln schwärmt. Auch, weil man da gute Stellen am Handy markieren kann, und im nächsten Jahr ziemlich sicher etwas wiederfindet.

So gesehen ergänzen einander der Barmann und der Koch ziemlich gut – so gut, dass sie nach dem gemeinsamen Engagement mit dem Zwischennutzungs-Experiment Rien im ehemaligen Griensteidl nun als Brüder im Geiste den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Und zwar im ehemaligen Gschupften Ferdl, jenem Stadtheurigen im Raimundhof, der seinen Konkurs letztlich doch nicht überlebt hat.

Dessen rustikaler Hipster-Charme ist nun einer nüchterneren Einrichtung gewichen, die von der Bar dominiert wird – beziehungsweise all dem, was Hubert Peter hier eingelegt und angesetzt hat: Topinambur und Heidelbeeren, Quitten, Paprika, Radicchio, Zitronen und Fenchel zählt er auf, dazu Bratapfel, Kürbis oder ein Bitter aus Pelargonien; in Bottichen reifen Wermut und seine auf Tanne und Fichte, Walnuss und Eiche basierende Version von Amaro. 2016, erzählt Peter, habe er begonnen, mit Bäumen zu experimentieren; Resultat sind etwa ein Feigenblatt-Likör oder einer aus den exquisiten Resten gefällter Weißtannen, letzteres für ihn „typisch Vorarlberg“. Seit Langem hat er Vorratswirtschaft betrieben für den Tag, an dem er sein eigenes Lokal haben würde. „Allein im Sommer habe ich 500 Mutterkulturen Kombucha angesetzt.“

In Kombination mit Lucas Steindorfers Kochkunst soll das fünf-, später auch dreigängige Menüs ergeben, bei denen man sich durchaus einmal „dem Rausch hingeben“ dürfen soll. Aus der Küche des Petz-Lehrlings sind Gerichte wie Schweinebauch mit Roter Rübe und Senf oder Castelfranco-Salat mit selbst angesetztem Waldessig zu erwarten, danach Pilzbeuschel, in Milchsäure gegarte Bachforelle oder eine Taco-Interpretation mit Palatschinken. Die Idee sei, sagt Peter, den Gästen die Chance zu geben, sich nicht nur im Urlaub für das jeweils Heimische zu interessieren. Kein Fine Dining, sondern ein „All Day-Restaurant und Bar“, für das man „die Hemmschwelle so niedrig wie möglich“ halten will. „Wer nur ein Bier trinken will“, so Peter, „ist auch willkommen.“

Kennen gelernt haben sich die beiden in der (auch nicht mehr existenten) Marktwirtschaft, Steindorfer war dort Küchenchef der „Liebe“, Peter betrieb mit seinen Cocktails aus selbst gemachten Essenzen die „Barrikade“-Bar. Er habe ihm jeden Tag eine Kiste Eis gebracht und bekam beim Rausgehen ein Bier, scherzt Steindorfer über den Beginn ihrer Beziehung. „So haben wir uns verliebt.“

Murmeltier Herbert kam mit

Den Ferdl, nunmehr Bruder, haben die beiden erst im Oktober übernommen, seither sind sie „im Selbststudium zu Heimwerkern geworden“ und haben gemeinsam mit Freunden und Familie das Lokal auf Vordermann gebracht. Die ehemalige Zirbenstuben hat ihre Verkleidung verloren, die vom unterirdisch fließenden Fluss aufsteigende Feuchtigkeit ist im Griff. Aus dem Rien mitgekommen ist Herbert, Hubert Peters ausgestopftes Murmeltier – und hat hier seinerseits einen Bruder bekommen: Ein Eichhörnchen hockt hinter der Bar im Regal mit den vielen bunt gefüllten Gläsern. Eröffnung ist heute, und weil man doch ein wenig nervös ist, haben Steindorfer und Küchenhilfe Lumi Verstärkung am Herd bekommen: Mama Peter (sonst Köchin im Adler in Großdorf, wo sonntags Frauen aus der Region aufkochen) ist eigens aus Vorarlberg angereist, um an den ersten Tagen zu helfen.

AUF EINEN BLICK

Bruder eröffnet heute im Ex-„Gschupften Ferdl“ in der Windmühlgasse 20. Hubert Peter stammt von einem Hof in Vorarlberg, war F&B-Manager in der Hotellerie, wollte aber wieder an die Bar. Lucas Steindorfer ist Wiener, wurde vom Kärntner Wirtshaus seiner Großeltern geprägt. Er lernte bei Christian Petz im Coburg, erklärt sich als von ihm und Thomas Scheiblhofer geprägt. Mitfinanziert wird das Lokal von Hoteliere Helena Ramsbacher („Das Tyrol“).

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Wien

Der traurige, g'schupfte Ferdl

Der Stadtheurige ist gut besucht und in Konkurs – Gesellschafter und Geschäftsführer sind uneins, wie es dazu kam. Insgesamt sperrten in Wien 2017 mehr Lokale zu als auf.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.