Der spektakuläre Diebstahl privater Daten von Politikern hielt die Bundesrepublik in Atem. Nun stellt sich heraus: Dahinter steckt ein Einzeltäter, der noch zur Schule geht.
Wien/Berlin. Wer ist Gott? Die Frage hat das politische Deutschland tagelang umgetrieben. Denn der Hacker, der sich Gott, also genauer „G0d“, nannte, stellte private Daten hunderter Politiker und Prominenter ins Internet – vom Bundespräsidenten abwärts. Die Gerüchteküche in den sozialen Netzwerken brodelte. Steht hinter „G0d“ jemand mit Verbindung zu den Russen, oder Chinesen? Oder kommt er aus der rechtsextremen Szene?
Bald führt die Spur in eine hessische Kleinstadt. Inzwischen sind die Ermittler sicher: „God“ ist ein 20-jähriger Deutscher. Er geht noch in die Schule. Er lebt noch bei seinen Eltern. Und er handelte nach eigenen Angaben alleine.
Am Sonntagabend tauchte die Polizei in seinem Elternhaus auf – nur 48 Stunden nach Beginn der Ermittlungen. Das setzte dem jungen Hacker zu. Er legte ein Geständnis ab und zeigte Behördenangaben zufolge eine „klare Reue-Reaktion“. Er half bei der Aufklärung. Am Ende sah man keinen Anlass, ihn in U-Haft zu nehmen. Er ist wieder auf freiem Fuß, vielleicht schon zurück im Klassenzimmer. Die Justiz ermittelt gegen den 20-Jährigen wegen des Ausspähens von Daten und Datenhehlerei. Darauf stehen jeweils bis zu drei Jahre Haft. Doch soweit dürfte es nicht kommen. Der 20-Jährige fällt als Heranwachsender wohl unter Jugendstrafrecht.
Motiv: "Verärgerung"
Als Motiv nannte er den Kriminalisten ganz allgemein „Verärgerung über öffentliche Äußerungen“ seiner Opfer. Dazu zählten viele Personen, die auch in der rechten Szene angefeindet werden: Journalisten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zum Beispiel, Satiriker wie Jan Böhmermann sowie Politiker aller Parteien – mit Ausnahme der rechten AfD. Nach erstem Ermittlungsstand soll es jedoch kein politisches Motiv geben.
Der 20-Jährige dürfte sein Material in mehreren Ausspähaktionen im Jahr 2018 gesammelt und mit öffentlich zugänglichen Daten gemischt haben. Zu den ins Netz gestellten Daten zählten Anschriften und Handynummern, in einigen Fällen aber auch Bankverbindungen, private Chats mit der Familie, Urlaubsfotos. Details zum Vorgehen des Hackers nennen die Ermittler nicht – wegen Nachahmergefahr.
Der 20-Jährige war ein Autodidakt: Er hatte keine technische Ausbildung. Was er wusste, las er sich im Internet selbst an. Wie viele Hacker. Es braucht nur viel Zeit und eine hohe Computeraffinität, sagen die Ermittler. Der Schüler hatte offenbar beides für seinen Cyberangriff aus dem Kinderzimmer, wo immer wieder Internetkriminalität entsteht.
Doch nur selten schlägt sie solche Wellen. Justizministerin Katarina Barley hatte den Datenklau einen „schwerwiegenden Angriff auf einen Grundpfeiler der Demokratie“ genannt. Eine Krisensitzung jagte die nächste. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) geriet massiv unter Druck, weil es Verwirrung gab, wann es was wusste und Opfer möglicherweise erst spät informiert hat. Innenminister Horst Seehofer (CSU) kündigte wegen des Datendiebstahls an, das Cyberabwehrzentrum auszubauen.
Seehofer will eine „einsatzfähige Crew rund um die Uhr“. Am Dienstag legte er nach: Das geplante IT-Sicherheitsgesetz 2.0 soll nun vorgezogen werden, ein Entwurf noch im ersten Halbjahr vorliegen. Er wird auch ein Frühwarnsystem beinhalten. Das soll helfen, gestohlene Daten rascher zu erfassen und gegenzusteuern. Als Beispiel nannte Seehofer „die Sperrung eines Twitter-Accounts, der illegale Daten Dritter verbreitet“. „Die absolute Sicherheit“ gebe es aber nicht, sagte der Minister. Auch dann nicht, wenn die Angriffe aus dem Kinderzimmer kommen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.01.2019)