Schon oft haben Regierungen damit geworben, die „größte Steuerreform aller Zeiten“ durchzuführen. Laut Berechnungen des Wifo gab es dabei in der Regel eine Entlastung um 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Genau auf diesem Niveau liegt das nun angepeilte Volumen.
Wien. Erwartungsvoll zeigte sich unlängst Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer (ÖVP) im „Presse“-Interview hinsichtlich der Steuerreform. Schließlich habe die Regierung die „größte Steuerreform aller Zeiten“ angekündigt. Und in absoluten Zahlen dürfte das auch wirklich so sein. So gab das Finanzministerium am Mittwoch bekannt, dass ein Volumen von 6,3 Milliarden Euro angepeilt werde. Die Entlastung liegt absolut gesehen damit deutlich über jener der Reform 2015, die per Anfang 2016 in Kraft trat. Damals betrug das Gesamtvolumen 5,2 Milliarden Euro.
Anders sieht die Situation allerdings aus, wenn die Entlastung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) gesehen wird, was einer realistischeren Betrachtung entspricht. So verliert Geld wegen der Inflation nicht nur konstant an Wert, durch das aufgrund Produktivitätssteigerungen laufend steigende BIP verfügt der Staat auch über höhere Steuereinnahmen. Das Wifo hat sich deshalb die vergangenen drei Steuerreformen auf ihr Verhältnis zum BIP hin angesehen.
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Demnach lag sowohl bei der Reform 2004/05 als auch bei jener 2015/16 die Entlastung bei 1,5 Prozent des BIP. Etwas geringer ausgefallen ist jene im Jahr 2009/10, die eine Verringerung der Steuerlast um 1,2 Prozent des BIP brachte. die nun angepeilten 6,3 Milliarden Euro entsprechen laut Wifo genau 1,5 Prozent des für 2020 erwarteten BIP. Es wird also wieder eine sehr große Steuerreform sein, aber wohl nicht die „größte Reform aller Zeiten“.
Dass bei Steuersenkungen mit Superlativen argumentiert wird, ist allerdings nicht neu. Das zeigen die Beispiele der Vergangenheit – egal wie die konkrete Regierungskonstellation aussah. So verkündete Schwarz-Blau unter Kanzler Wolfgang Schüssel bereits 2004 „die größte Steuerreform aller Zeiten“. Ähnlich die Sprachregelung unter Rot-Schwarz und Kanzler Werner Faymann (SPÖ) im Jahr 2015. Damals war es demnach die „größten Steuerreform der zweiten Republik“.
Geringere Firmensteuern in der EU
Auch wenn die nun bevorstehende Entlastung relativ gesehen nicht wesentlich über diesen Reformen liegen dürfte, handelt es sich doch um eine substanzielle Reduktion der Staatseinnahmen. Wie berichtet dürfte die Reform daher auch in Etappen kommen. Demnach dürfte 2020 zuerst die Senkung der Krankenversicherungsbeiträge für Geringverdiener erfolgen, dann 2021 eine Senkung der unteren drei Lohnsteuer-Gruppen und 2022 die Senkung der Körperschaftsteuer (KÖSt) auf 19 oder 20 Prozent. Es wäre dies die erste Senkung der KÖSt seit der Steuerreform 2004/05. Damals lag Österreich mit einem Steuersatz von 34 Prozent deutlich über dem EU-Schnitt. Angesichts der EU-Osterweiterung senkten ÖVP und FPÖ die Gewinnsteuer für Unternehmen auf 25 Prozent.
Seit 1995 haben auch alle anderen EU-Länder ihre Körperschaftsteuersätze deutlich reduziert. Besonders stark war laut Wifo der Rückgang in Mittel- und Südosteuropa. In den 13 neuen EU-Mitgliedsländern sind die Unternehmenssteuersätze im Durchschnitt um 13,3 Prozentpunkte gesunken – von 31,4 auf 18,1 Prozent. Im Durchschnitt der alten EU-15-Länder gingen die Unternehmenssteuersätze von 38 auf 25,3 Prozent zurück. Damit liegt Österreich heute im Durchschnitt der „alten“ EU-Staaten, aber über den „neuen“.
Allerdings habe der nominelle Steuersatz allein nur beschränkte Aussagekraft, betonen die Wifo-Ökonomen. Darum veröffentlicht die EU-Kommission auch jährlich die vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) berechneten effektiven Durchschnittssteuersätze. Die tatsächliche Steuerbelastung der Unternehmensgewinne liegt dabei deutlich unter den nominellen Steuersätzen. In Österreich betrug sie im Jahr 23,1 Prozent und war damit geringfügig unter dem Durchschnitt der EU-15, der bei 23,7 Prozent lag. Der Durchschnitt der neuen EU-Länder im Osten liegt bei 16,0 Prozent. (jaz/APA)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2019)