Aufsichtsrat: Kontrolle ist gut, Strategie ist besser

Paul Achleitner weiß als Präsident der Deutschen Bank um die Herausforderungen für Mitglieder des Kontrollorgans.
Paul Achleitner weiß als Präsident der Deutschen Bank um die Herausforderungen für Mitglieder des Kontrollorgans.(c) imago/Hannelore Förster (Hannelore Foerster)
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Angesichts der wirtschaftlichen und technologischen Umbrüche wandelt sich die Arbeit der „Aufpasser“, zeigt eine BCG-Studie.

Wien/Frankfurt. Ein gepflegte Tasse Kaffee oder sogar ein Glaserl Wein, ein paar Brötchen und ein anregender Plausch: Die Zeiten, in denen Aufsichtsratssitzungen eine gemütliche Klubatmosphäre ausstrahlten, in der sich die Herren (die Mitglieder waren ausschließlich Männer) mehr oder weniger interessiert über die Geschäfte eines Unternehmens informieren ließen, sind längt vorbei. Nicht nur, weil inzwischen auch Frauen den Gremien angehören.

Schon in den vergangenen Jahren gewann die ureigenste Aufgabe des Aufsichtsrats – Kontrolle sowie Compliance- und Risikoüberwachung – größere Bedeutung. Das ist aber jetzt auch nicht mehr genug. Das wissen die Führungskräfte selbst, wie aus einer Studie der Boston Consulting Group (BCG) hervorgeht – der bisher größten Umfrage in Deutschland und Österreich.

80 Prozent der Befragten aus Unternehmen diverser Größe und Branchen erwarten gravierende Umbrüche in dem Markt, in dem „ihr“ Unternehmen aktiv ist. Ein Viertel rechnet sogar schon in nächster Zeit mit beträchtlichen Veränderungen – wobei die Digitalisierung eine der treibenden Kräfte ist.

Dafür gilt es, gerüstet zu sein, was jedoch häufig nicht der Fall ist. „Die dynamische Entwicklung erfordert, dass die Arbeit von Aufsichtsräten neu überdacht und neu ausgerichtet werden muss“, sagt BCG-Strategieexperte und einer der Studienautoren, Sebastian Stange, im Gespräch mit der „Presse“.

Die Folge: Die reine Ex-post-Kontrolle reicht nicht mehr aus, das ist den Aufsichtsräte bewusst. Sie gewichten denn auch das aktive Gestalten, also strategische Aufgaben, ebenso stark wie die Kontrolle. 70 Prozent der Aufsichtsräte wollen bei der strategischen Ausrichtung des Unternehmens mitwirken, 51 Prozent bei wichtigen unternehmerischen Entscheidungen aktiv mitreden. Die Kontrolle soll freilich nicht zu kurz kommen, im Gegenteil: Als am wichtigsten (79 Prozent) wird die strategische Überwachung des Betriebs gesehen.

Mit einem Wort: Die „Aufpasser“ wollen mehr Einfluss, sich mehr einbringen und mitgestalten. Ist das in dem im deutschsprachigen Raum geltenden dualistische System – Trennung von Geschäftsführung (Vorstand) und Kontrolle (durch den Aufsichtsrat) – überhaupt möglich? Oder müsste man zu dem im angloamerikanischen Raum üblichen monistischen System („one-tier“) übergehen, in dem Führung und Überwachung von ein und demselben Organ (Board of Directors, Verwaltungsrat) wahrgenommen werden? „Unser bestehendes System räumt den Gremienmitgliedern sehr wohl eine Zuständigkeit bei strategischen Fragen ein“, erklärt BCG-Seniorpartner und auch Studienautor Alexander Roos. „Oft hapert es in der Realität bei der Umsetzung, oft fehlt die Tiefe der Auseinandersetzung mit strategischen Fragen.“

Zu wenig Zeit und Infos

Die Realität in vielen Gremien sieht ohnedies anders aus: Vier Treffen im Jahr im Schnitt sind zu wenig, sind die Befragten einig. Allerdings erachten sie ihr Arbeitspensum mit durchschnittlich 34 Tagen pro Jahr (bei Präsidenten 46 Tage) schon als hoch. Deshalb müsse die Effizienz der Aufsichtsratsarbeit erhöht werden, lautet der Vorschlag der BCG. Dazu sollte die Agenda gestrafft, die Vorbereitung wichtiger Themen in Ausschüsse verlagert und Kompetenzen sollten klar verteilt werden.

Vor allem an Letzterem mangelt es, wie die Befragten durchaus selbstkritisch feststellen. Den größten Nachholbedarf gebe es bei der Digitalisierung, aber auch bei Internationalisierung sowie Markt und Wettbewerb werden Lücken geortet. Ein nicht unwesentliches Detail: Oft fehlt es den Gremien an frischem Blut – in 84 Prozent der Firmen ist die Amtsdauer von Aufsichtsräten nicht begrenzt, bei 61 Prozent gibt es kein Alterslimit. Ideal wäre es, wenn die Mitglieder verschiedene Wissensbereiche repräsentierten, meint Roos.

Dazu kommt, dass sich 80 Prozent der Mitglieder vorwiegend auf Informationen des Vorstands stützen und unabhängige Infoquellen so gut wie nicht nützen. Und Weiterbildung ist ohnedies häufig ein Fremdwort. Allerdings stellten die Unternehmen auch kaum entsprechende Angebote zur Verfügung, heißt es in der Studie.

Einen großen Nachholbedarf ergab die Befragung letztlich auch bei der Evaluierung der Arbeit. Nur ein Drittel der Gremien reflektiert regelmäßig die eigene Arbeitsweise, sogar nur zwölf Prozent nutzen externe Tools zur Effizienzprüfung. „Auch dabei kommt dem Vorsitzende eine wesentliche Rolle zu – er sollte das Gremium aktiv managen und auch kritische Themen aufs Tapet bringen“, meint Roos.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.01.2019)

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