Der von Europa dominierte Handballsport ringt um globale Aufmerksamkeit. Die Aufstockung der WM ab 2021 und die Olympischen Spiele in Tokio und Los Angeles sollen helfen.
Handball-Weltmeisterschaften sind seit jeher nichts anderes als Europameisterschaften mit internationaler Beteiligung. 74 der bislang 75 ausgespielten WM-Medaillen gingen an Europa, einzig die mit etlichen eingebürgerten Spielern agierende Auswahl Katars vermochte 2015 unter dubiosen Umständen im eigenen Land die totale Dominanz mit Silber kurzzeitig zu durchbrechen. Die 26. Handball-WM ist die bereits 22. auf europäischem Boden, abgesehen davon erschienen bloß Japan (1997), Ägypten (1999), Tunesien (2005) und eben Katar (2015) als Gastgeber auf der internationalen Bildfläche.
Europa ist unbestritten die Wiege dieses Sports, er genießt in weiten Teilen des Kontinents große Anerkennung. Global betrachtet aber ringt Handball historisch um seine Beliebtheitswerte. Nordafrika, dazu einige arabische Länder, mit Abstrichen Südamerika und Teile Asiens – andernorts sucht man Handball auf der Weltkarte vergebens. Der Weltverband IHF hat insofern reagiert, als für die WM 2021 in Ägypten die Aufstockung von 24 auf 32 Teams beschlossen wurde. Es geht um die Erschließung neuer Märkte, um das Generieren von Interesse, in nächster Instanz, natürlich, um Geld. Die Fußballverbände Uefa und Fifa bilden dahingehend keine Ausnahme. Am sportlichen Kräfteverhältnis wird sich freilich nichts ändern, im Gegenteil. Die Kluft zwischen Europa und dem Rest der Welt ist schon jetzt gewaltig.
Die Auftaktspiele dieser Endrunde brachten die ersten von vielen Kantersiegen, die in den nächsten zweieinhalb Wochen noch folgen werden. Deutschland fertigte Korea mit 30:19 ab, in Kopenhagen deklassierte Dänemark die völlig überforderten Chilenen, immerhin die dritte Kraft Südamerikas, mit 39:16. Bereits zur Halbzeit hatten die Skandinavier 22:4 geführt, ehe Teamchef Nikolaj Jacobsen kräftig durchwechselte.
Mit der Aufstockung der Weltmeisterschaft droht der Kontinentalvergleich weiter sportlich verwässert zu werden. „Damit senkst du das Niveau einer WM“, sagt Österreichs schwedischer Torwarttrainer, Mattias Andersson. Das Vorgehen des IHF ist dennoch nachvollziehbar, denn schafft es der Handballsport nicht, sich zu globalisieren und sich in Märkten wie in China und vor allem den USA zu etablieren, dann steht künftig dessen Daseinsberechtigung bei Olympia auf dem Spiel.
America first
Zwei von drei olympischen Sportarten kommen mittlerweile aus dem US-Markt, der Schlüssel zum nachhaltigen Erfolg liegt also jenseits des großen Teichs. In den USA aber ist die sportliche Konkurrenz enorm, die großen Ligen (NFL/Football, NBA/Basketball, MLB/Baseball, NHL/Eishockey) dominieren, nur wenige sportlich interessierte Jugendliche kommen jemals mit Handball in Berührung. Rund um Chicago, New York und in Kalifornien, also in europäisch besiedelten Gebieten, findet man gut frequentierte Handballvereine, eine landesweite Liga aber gibt es nicht, dasselbe gilt für China.
„Wer nicht wächst, wird sicher zurückfallen. Wir haben die Aufgabe, Handball in den großen Märkten populärer zu machen“, sagt Martin Hausleitner zur „Presse“. Der Niederösterreicher ist Generalsekretär der Europäischen Handballföderation (EHF), die ihren Sitz in Wien Meidling hat.
Hausleitner sieht in den Vergaben der Olympischen Sommerspiele an Tokio (2020) und Los Angeles (2028) zudem eine große Chance für den Handballsport. „Das spielt uns definitiv in die Karten, bringt aber auch Aufgaben mit sich.“ Spätestens nach den Spielen in den USA wird man wissen, ob der Handballsport seine Aufgaben bewältigt hat.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2019)