Chris Grayling, britischer Verkehrsminister der Pannen

Grayling, Minister seit Juli 2016.
Grayling, Minister seit Juli 2016.REUTERS
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Minister Chris Grayling stolpert von einem Debakel zum nächsten. Dennoch bleibt er unantastbar im Amt, denn die Regierungschefin kann sich keine Kabinettsumbildung leisten. Labour profitiert von Graylings Pannen.

London. Es gibt einfachere Dinge, als Verkehrsminister der britischen Regierung zu sein: Verfallene Infrastruktur, heillos überlasteter Verkehr und ewige Budgetnöte stellen kaum zu bewältigende Herausforderungen dar. Was allerdings Minister Chris Grayling mit seinem Amt macht, ist bisher wohl beispiellos geblieben.

Zuletzt sorgte er zu Jahresbeginn für Empörung, indem er einen Auftrag für die Einrichtung eines Fährdienstes über den Ärmelkanal an die Firma Seaborne Freight vergab, die keine eigenen Schiffe hat, niemals Fähren betrieben hat und den Hafen in Ramsgate als Ausgangsbasis benützen will, der für die benötigten Schiffe nicht ausreichend tief ist. Die Vergabe des 14-Millionen-Pfund-Auftrags erfolgte ohne Ausschreibung. Der Hafen muss erst auf Steuerzahlerkosten ausgehoben werden.

Und die Website des Unternehmens wurde eins zu eins von einem Pizzaservice kopiert: „Der Kunde ist verpflichtet, die gelieferten Waren zu prüfen, bevor er für eine Mahlzeit/Bestellung bezahlt“, heißt es da. Dennoch verteidigte Grayling die Vergabe selbst dann noch entschlossen, als bekannt wurde, dass einer der Firmeneigner erst kürzlich auf Anordnung der Finanzbehörde ein Unternehmen wegen Überschuldung hatte liquidieren müssen.

Im Festhalten am Unhaltbaren macht dem 56-jährigen Konservativen so schnell keiner etwas vor. Im Vorjahr verantwortete er die missglückte Einführung eines neuen Fahrplans, der zur Streichung Hunderter Züge führte. Bis heute sind manche Linien nicht zum Normalverkehr zurückgekehrt. Als der Alarm um Drohnen wenige Tage vor Weihnachten den Flughafen Gatwick lahmlegte, verlängerte er das Chaos um mindestens einen halben Tag, indem er die Unterstützung spezialisierter Armee-Einheiten ablehnte.

Hashtag „Failing Grayling“

Dafür steht der Brexit-Anhänger seinen Landsleuten stets tröstend zur Seite, wenn vor verheerenden Folgen eines harten EU-Ausstiegs gewarnt wird. Bedenken über mögliche Engpässe in der Lebensmittelversorgung wischte er vom Tisch: „Dann werden wir eben mehr selbst anbauen“, verkündete er. Im Vorübergehen verabsäumte es Grayling auch nicht, dem Erzfeind eins auszuwischen: „Britische Supermärkte würden mehr von lokalen Herstellern kaufen, und französische und kontinentale Konkurrenten hätten den Schaden.“ Die zahllosen Fauxpas Graylings sind mittlerweile Teil der politischen Legende. Von der Opposition – Labour profitiert von seinen Aktionen, denn niemand hat wohl mehr dazu beigetragen, dass die Wiederverstaatlichung der Eisenbahnen populär wurde – wird er regelmäßig als „Failing Grayling“ tituliert, unter demselben Hashtag floriert eine ganze Serie von Scherzen in den sozialen Netzwerken. „Ich habe drei Fähren, einmal Hühnchen und Hummerchips bestellt. Die britischen Verkehrsproblem sind damit gelöst“, heißt es da zum jüngsten Debakel.

Dabei hat Großbritannien ernste Problem in der Transportinfrastruktur. Nach einem Ranking des World Economic Forum liegt das Land international auf Rang 24 und ist letzter unter den G7-Staaten. Die Regierung will bis 2021 über 50 Milliarden Pfund in die Infrastruktur stecken, davon soll aber die Hälfte von privaten Investoren kommen. Diese bleiben mit dem Brexit zunehmend aus. Dennoch ist Grayling unantastbar. Das hat nicht nur damit zu tun, dass niemand seinen Job wollen kann. Premierministerin May hat einen derart schwachen Stand, dass sie kein Revirement ihres Kabinetts vornehmen kann, ohne unbeabsichtigte Folgen fürchten zu müssen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2019)

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