Gewappnet für das Chaos

Bunker für Vorräte: Simon Roche, Sprecher der Suidlanders, zeigt sein Geheimversteck in der Nähe von Vanderkloof in der Provinz Northern Cape.
Bunker für Vorräte: Simon Roche, Sprecher der Suidlanders, zeigt sein Geheimversteck in der Nähe von Vanderkloof in der Provinz Northern Cape.REUTERS
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Weltweit bereiten sich „Preppers“ auf Katastrophen jeder Art vor. In Südafrika glauben die Suidlanders fest an kommende Anarchie und Bedrohung der weißen Bevölkerung. Ein Besuch.

Das Haus liegt in einer ruhigen Straße eines Kapstädter Vororts. Die Gastgeber reichen Kekse und Tee. 18 Besucher sind diesmal gekommen, eine Frau hat ihre Tochter im Volksschulalter mitgebracht. Ein wenig Small Talk, dann setzt man sich auf Plastikstühle im riesigen Wohnzimmer, betet zusammen – und bespricht die Anarchie.

Sie wird kommen, in Form eines Bürgerkrieges, und nach dem Zusammenbruch von Währung und Infrastruktur, da ist sich André Goosen ganz sicher. Der pensionierte Soldat steht ganz vorne, im grünen Safari-Outfit, in der einen Hand ein Funkgerät, die andere zeigt auf ein Gebiet 300 Kilometer östlich von Kapstadt. Dort will er Sicherheitszonen für „seine Leute“ einrichten. In den vergangenen zwölf Jahren, in denen er sich auf dieses Szenario vorbereitet hat, passierte nichts. Aber bald sei es so weit, vielleicht schon in einigen Monaten, referiert Goosen. Da gebe es keine Zweifel.

Goosen ist einer der Anführer der „Suidlanders“. Sie zählen sich zur Prepper-Bewegung, also zu jenen Menschen, die sich in allen Teilen der Welt auf Katastrophen jeglicher Art und den Zusammenbruch staatlicher Ordnung vorbereiten – sei es durch die Hortung von Lebensmitteln oder die Errichtung von Schutzbauten.

Minderheit unter den Buren. In Südafrika ist die Prepper-Szene deutlich politisiert. Die Suidlanders (Südländer) warnen vor einem Rassenkrieg. Steigende Arbeitslosigkeit und höhere Lebenshaltungskosten würden unweigerlich zu Wut bei der schwarzen Bevölkerung führen, die sich auch wegen aufhetzender Kommentare von Politikern gegen die weiße Minderheit richten werde. Den Suidlanders gehören überwiegend weiße Buren an, Nachfahren von niederländischen Calvinisten und französischen Hugenotten, die sich ab dem 17. Jahrhundert am Kap angesiedelt hatten. Rund drei Millionen Buren leben in Südafrika. Diese Gruppe, die während der Apartheid-Ära die Regierung dominierte, stellt also nur rund fünf Prozent der Bevölkerung.

Doch auch unter den Buren teilt nur eine Minderheit die sonderlichen, oft unbelegten Ansichten der Suidlanders, die über internationale rechte Netzwerke die Botschaft von einem Genozid gegen die weiße Bevölkerung verbreiten. „Die große Mehrheit der weißen Südafrikaner unterstützt dieses Narrativ nicht und fühlt sich von den Suidlanders nicht repräsentiert“, sagt Gareth Newham von der Denkfabrik Institute for Security Studies (ISS). Die Mordrate in Südafrika sei hoch, „aber Schwarze und Gemischtfarbige werden deutlich öfter Opfer von Gewaltverbrechen als Weiße“. Die Behauptung eines Genozids sei unhaltbar.

Extrem hohe Mordrate.Doch in dem Suidlanders-Wohnzimmer in Kapstadt fallen die Botschaften auf fruchtbaren Boden, die Verunsicherung ist spürbar. In Südafrika ist die Mordrate 2018 um fast sieben Prozent auf ein Neun-Jahres-Hoch gestiegen, sie ist mit 35,2 Morden pro 100.000 Einwohnern sechsmal höher als in den USA (in Österreich waren es weniger als einer pro 100.000). Da beruhigt es wenig, dass sie in den 1990ern sogar fast doppelt so hoch war.

57 Menschen täglich werden derzeit in Südafrika getötet. Private Sicherheitsfirmen haben Hochkonjunktur. Dass vor drei Jahren der Strom und vor einigen Monaten das Wasser in der Gegend knapp wurde, unterstützt die These der Preppers weiter, auch wenn diese Krisen vorerst bewältigt sind.

Zulauf erhalten die Suidlanders nach eigenen Angaben besonders seit rund einem Jahr. Auf ihrer Homepage veröffentlichen sie Bilder von Dutzenden Treffen, sie beziffern ihre Unterstützerzahl auf rund 130.000. Nachprüfen lässt sich das nicht, in der Organisation gibt es keine Registrierung.

Die Regierungspartei African National Congress (ANC) gab damals bekannt, per Verfassungsänderung die entschädigungslose Enteignung weißer Farmer zu ermöglichen, denen 24 Jahre nach Ende der Apartheid 72 Prozent der Agrarfläche gehören. Der Vorstoß ist noch in der Anhörungsphase, zudem hat der ANC kommuniziert, dass man es – im Gegensatz zur chaotischen Landreform im Nachbarland Simbabwe – nur auf ungenutztes Land abgesehen habe. Noch ist unklar, ob es zur Verfassungsänderung kommen wird; die Suidlanders im Wohnzimmer sehen ihr Untergangsszenario aber bestätigt.

Es werden allerlei Tipps für die Vorbereitung ausgetauscht. Funkgeräte müssten immer geladen sein, dazu seien ausreichende Vorräte an Benzin, Medizin und Nahrung nötig. Einer der Gastgeber führt vor, wie man Klopapier möglichst platzsparend neu zusammenrollt. Doch die Errichtung der Sicherheitszonen scheint wichtigstes Thema zu sein. Weitere Fragen darf aber keiner der Teilnehmer beantworten, dies obliege allein der landesweiten Führung der Organisation.

Übungen für den Ernstfall. Diese Aufgabe übernimmt telefonisch Suidlanders-Sprecher Simon Roche. 2017 bereiste er ein halbes Jahr die USA und traf Organisationen des ganz rechten Spektrums, viele bezeichnen sich wie die Suidlanders als streng religiös. Er habe bei seiner Reise gehofft, „einen reichen Milliardär für unsere Sache“ zu gewinnen – ohne Erfolg. „Wir rechnen damit, dass wir Zuflucht für bis zu eine Million Menschen organisieren müssen“, behauptet er. Für die Vorbereitung seien 60 Millionen Euro nötig.

In Kapstadt lässt derweil Organisator Goosen das Registrierungsverfahren für ankommende Flüchtlinge in der „Sicherheitszone“ einüben. Es sind bizarre Szenen. Die Teilnehmer ziehen Warnwesten an, lesen per Funkgerät einen Ausdruck mit einem Dialog vor. „Tango Two, sind Ihnen auf dem Weg hierher Revolutionsaktivitäten begegnet?“, fragt ein junger Mann aufgeregt. Ein anderer, mit Funkvokabular wenig vertraut, antwortet aufgeregt: „Romeo Zero Two, ja, da waren ein brennender Bus und zwei brennende Autos.“

Fakten

In den USA betrachten sich mindestens drei bis vier Millionen Menschen als „Preppers“.

In Deutschland wird die Zahl auf 150.000 geschätzt. Unterwanderungsversuche durch rechtsextreme Gruppen beschäftigen den Verfassungsschutz.

In Österreich ist die Szene wesentlich kleiner. Auf dem Internetforum der „Austrian Preppers“ sind rund 400 Personen registriert. Es gibt nur etwa 40 aktive Mitglieder.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.01.2019)

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