Vor 100 Jahren wurde Rosa Luxemburg in Berlin ermordet. Die marxistische Agitatorin gilt als Lichtgestalt der Linken. Dabei hatte ihr „demokratischer Sozialismus“ mit Demokratie wenig zu tun. Aber ihre Biografie und ihre Briefe bewegen bis heute.
Drei Jahre in Haft, von einem „Kittchen“ in das nächste. An der Agitation gehindert, schreibt Rosa Luxemburg im Jahr 1917 aus dem Breslauer „Weibergefängnis“ lange Briefe an ihre Vertrauten. Nur kurz und ohne Klage erwähnt sie die dunkle Zelle, die steinharte Matratze, die Kirchhofstille in den einsamen Nächten. Viel lieber schwelgt sie in Beschreibungen der Natur, hinter und über den Kerkermauern. Im Frühling der Duft der Lindenblüten, im Herbst die Krähen am Abendhimmel: Dabei klopft ihr Herz vor einer scheinbar grundlosen Freude. „Ich glaube, das Geheimnis ist nichts anderes als das Leben selbst.“ Sogar „in dem Knirschen des feuchten Sandes unter den schweren Schritten der Schildwache“ erklingt für sie „ein kleines, schönes Lied vom Leben – wenn man nur richtig zu hören weiß“.
Diese intimen Notate gehörten für Karl Kraus „zum Allerschönsten“. Auch Walter Benjamin und Paul Celan waren von ihnen tief berührt. Die Verfasserin selbst hätte ihre zartfühlenden Ergüsse wohl nicht so hoch gehängt. „Stimmungen machen noch keinen Menschen“, urteilte Luxemburg streng über Lyriker, die formvollendet dichten konnten, aber denen eine „große, edle Weltanschauung“ fehlte. Ihre eigene edle Weltanschauung trieb die marxistische Agitatorin, wenn man sie nur ließ, zu Brandreden und Hasstiraden gegen gemäßigte Sozialdemokraten, gegen „Halunken“, „Klassenfeinde“ und „Verräter“ an der rastlos beschworenen Revolution. Die Mitgründerin der Kommunistischen Partei Deutschlands verdammte zwar den Krieg zwischen den Völkern, propagierte aber den Bürgerkrieg, der für sie „nur ein anderer Name für Klassenkampf“ war. Ihr Sozialismus setzte „Gewaltmaßnahmen gegen Eigentum“ voraus: „Wer sich dem Sturmwagen der [. . .] Revolution entgegenstellt, wird mit zertrümmerten Gliedern am Boden liegen bleiben.“