Horrorfilme: Vom analogen Schrecken in digitalen Zeiten

Mach mal einen Schnappschuss! Leider tödlich: „Polaroid“ von Lars Klevberg.
Mach mal einen Schnappschuss! Leider tödlich: „Polaroid“ von Lars Klevberg.Polyfilm
  • Drucken

VHS, Super-8, Vinyl, neuerdings auch Polaroid: Das Grauen auf der Leinwand entspringt immer wieder altmodischen Analogmedien. Was weniger mit Nostalgie als mit ihrer materiellen Beschaffenheit zu tun hat. Ein Überblick des Retro-Horrors.

Hinter dem dunklen Wald, vorbei am toten Teich, steht ein altes, verfallenes Haus. Seit Ewigkeiten hat sich keiner mehr hineingewagt. Auf dem Dachboden modert eine staubige Truhe vor sich hin. Und in dieser Truhe liegt etwas derart Grauenvolles, dass man sich fast nicht traut, es beim Namen zu nennen: Eine unbeschriftete Videokassette . .

Gänsehaut? Wenn nicht, sind Sie vielleicht zu jung, um zu wissen, was eine Videokassette ist. Oder Sie haben „The Ring” nie gesehen. Der Film handelt von einem verfluchten VHS-Band: Wer sich seinen Inhalt zu Gemüte führt, bekommt einen Anruf mit kryptischer Botschaft: „Sieben Tage!” Danach winkt ein Ende mit Schrecken. Der US-Kinohit aus dem Jahr 2002, Remake eines japanischen Kultstreifens, hat einer ganzen Zuschauergeneration schlaflose Nächte beschert. Dass sein Konzept aus heutiger Sicht etwas albern wirkt, liegt nicht zuletzt an der Antiquiertheit analoger Medien. VHS & Co. haben mittlerweile die Anmutung von Altertum. Doch gerade das Unzeitgemäße trägt zur unheimlichen Aura bei.



Magischer Tand. Nach wie vor lauern die Geister des Horrorkinos in analogen Maschinen. Jüngst etwa in „Polaroid” (siehe Kritik), wo eine klobige Sofortbildkamera Teenagern das Licht ausknipst. Woher rührt die Angst vor dem alten Tand? Ein Grund ist seine Gegenständlichkeit: Verwünschen kann man nur, was greifbar ist. Zudem scheinen Analogmedien einen direkten Draht zu dem herzustellen, was sie wiedergeben: Semiotiker nennen das „Indexikalität”. Wer einen frischen Fotoabzug in Händen hält, sieht in ihm einen Realitätsabdruck – und dieser Glaube bietet Nährboden für Aberglauben. Hauptursache dürfte freilich der Hauch des Historischen sein, der überholten Bild- und Tonträgern anhaftet – und sie der Sphäre des Verdrängten und Vergessenen, des Fremdartigen und Jenseitigen zuordnet. Früher fanden Forscher in Gruselfilmen mysteriöse Artefakte, die mit garstigen Flüchen belegt waren.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Todesfalle Schnappschuss: „Polaroid“ von Lars Klevberg.
Film

Todesfalle Schnappschuss in „Polaroid“: Bitte zum letzten Mal lächeln!

In „Polaroid“ knipst eine verfluchte Sofortbildkamera Teenagern das Licht aus. Der Film lehrt die Generation Selfie, verantwortlich mit Bildern umzugehen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.