Mazedonien-Deal stürzt Regierung in Athen in die Krise

Schwierige Tage für Premier Tsipras: Diese Woche stellt er im Parlament die Vertrauensfrage.
Schwierige Tage für Premier Tsipras: Diese Woche stellt er im Parlament die Vertrauensfrage.(c) APA/AFP/ANGELOS TZORTZINIS
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Verteidigungsminister trat aus Protest gegen die Einigung mit Mazedonien zurück. Premier Tsipras stellt die Vertrauensfrage, der Ausgang ist ungewiss.

Athen. Das Ende des Namensstreits mit Mazedonien könnte die griechische Regierung sprengen: Am Sonntag erklärte der Chef der rechtspopulistischen Anel, Panos Kammenos, dass er vom Amt des Verteidigungsministers zurücktrete und mit seinen Abgeordneten aus der Regierung ausscheide. Damit steht die Regierung auf der Kippe: Ministerpräsident Alexis Tsipras vom Radikalen Linksbündnis (Syriza) kündigte an, dass er umgehend eine Vertrauensabstimmung im Parlament einleiten werde. Diese dürfte am Donnerstag stattfinden.

Kammenos stellte daraufhin umgehend klar, dass er die Regierung bei der Vertrauensabstimmung nicht stützen werde. Denn dies würde eine Zustimmung zum Abkommen mit Mazedonien implizieren, das er strikt ablehnt. Die Regierungskoalition verfügt derzeit über 153 Stimmen im 300-köpfigen Parlament, Anel hat sieben Parlamentssitze. Ohne Unterstützung der Anel-Abgeordneten würde die Regierung beim Vertrauensvotum die Mehrheit also verlieren.

Doch alles deutet darauf hin, dass die Mehrzahl der Anel-Abgeordneten ihrem Chef nicht folgen wird. Drei bis vier Abgeordnete dürften die Regierung bei der Vertrauensabstimmung stützen. Syriza verfügt derzeit über 145 Sitze und über die Stimme eines unabhängigen Abgeordneten. Dazu kommen möglicherweise Stimmen von unabhängigen Abgeordneten oder Parlamentariern anderer Kleinparteien.

Gretchenfrage für Konservative

Derzeit ist nicht geklärt, was im Fall einer Niederlage geschehen würde. Einerseits stellte Tsipras in einem Interview vergangene Woche klar, dass er in diesem Fall vorgezogene Neuwahlen abhalten werde. Er fügte aber hinzu, dass er dies „zu gegebenem Zeitpunkt“ tun werde. In diesem Fall könnte das Abkommen mit Mazedonien noch vom jetzigen Parlament ratifiziert werden. Für diese zweite wichtige Abstimmung dürfte Syriza im Verein mit Potami und anderen Abgeordneten über die erforderliche Mehrheit verfügen. In Artikel 84 der griechischen Verfassung heißt es, dass das Vertrauen für die Regierung gegeben ist, wenn die absolute Mehrheit der anwesenden Abgeordneten dieses ausspricht. Theoretisch muss also die kritische Zahl von 151 Stimmen gar nicht erreicht werden, falls nicht alle 300 Abgeordneten bei der Abstimmung anwesend sind.

Gretchenfrage auch für die Parlamentarier der konservativen Opposition (Nea Dimokratia) ist deren Haltung zum Mazedonien-Abkommen von Prespa. Das Nachbarland akzeptierte in diesem Vertag den neuen Namen „Nordmazedonien“, obwohl der Kleinstaat sowohl von den USA als auch von Russland und China und Dutzenden anderen Staaten mit dem Namen „Republik Mazedonien“ anerkannt wurde. Vor internationalen Foren wird derzeit die Bezeichnung „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ verwendet. Des Weiteren stimmte Mazedoniens Premier dem Gebrauch des Namens Nordmazedonien auch im Inland zu und gab grünes Licht für die Änderung von einigen Verfassungsartikeln.

Nein zu mazedonischer Identität

Griechische Nationalisten, unter ihnen Panos Kammenos von Anel, weigern sich allerdings, jeglichen Namen zu akzeptieren, der die Bezeichnung „Mazedonien“ enthält. Die konservative Partei unter Kyriakos Mitsotakis hat in den letzten Jahren eine Lösung mit einem zusammengesetzten Namen, wie etwa „Nordmazedonien“, akzeptiert, lehnt jedoch das Abkommen von Prespa ab, weil in ihm eine „mazedonische Identität“ anerkannt wird. Somit nähert sie sich sich also den Positionen des rechten Parteiflügels an. Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass es im Fall einer Abstimmung über das Abkommen auch in den Reihen der konservativen Nea Dimokratia Zustimmung zum Abkommen geben wird.

Kleinere Parteien, wie Potami, akzeptieren das Abkommen. Doch sie wollen partout der Regierung ihr Vertrauen nicht aussprechen. Auch hier ist es offen, ob alle Abgeordneten der Linie ihrer Parteiführung folgen werden. Griechenland stehen spannende Tage bevor. EU, Nato und USA werden ihr ganzes Gewicht in die Waagschale werfen müssen, um Parlamentarier von einer Lösung des Namensstreits zu überzeugen.

AUF EINEN BLICK

Der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos ist aus Protest gegen die Einigung mit Mazedonien im Streit um den Staatsnamen des Nachbarlandes zurückgetreten. Die Vereinbarung, die den seit Jahrzehnten währenden Namensstreit beenden sollte, mache es ihm unmöglich, sein Amt weiter auszuüben, erklärte der Vorsitzende der nationalistischen Partei Unabhängige Griechen (Anel). Auch die anderen Regierungsmitglieder seiner Partei würden sich zurückzuziehen, sagte er nach einem Treffen mit Premier Alexis Tsipras. Der Linke Tsipras kündigte postwendend an, sich einer Vertrauensabstimmung im Parlament zu stellen. Kammenos erklärte wiederum, er werde Tsipras bei einer derartigen Abstimmung nicht unterstützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2019)

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