„Fahrenheit 11/9“: So lässt sich dieser Trump nicht schlagen

Die einzige lustige Szene: Michael Moore wässert den Rasen des Gouverneurs von Michigan mit verunreinigtem Wasser aus Flint.
Die einzige lustige Szene: Michael Moore wässert den Rasen des Gouverneurs von Michigan mit verunreinigtem Wasser aus Flint.(c) Polyfilm
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Mit „Fahrenheit 11/9“ will Michael Moore die Massen gegen den US-Präsidenten mobilisieren. Aber der Meister der Propaganda-Doku verzettelt sich mit linkem Lagerkampf und irren Verschwörungstheorien. Eine vertane Chance.

Donald Trump und Michael Moore: Die beiden saßen einmal freundlich lächelnd beisammen. In einer Fernsehshow machte der windige Immobilientycoon dem aufstrebenden Dokumentarfilmer ein Kompliment, das diesem bis heute peinlich ist: Sein Debüt habe ihm gut gefallen. „Roger & Me“ war ein cineastischer Feldzug gegen den damaligen GM-Chef Roger Smith, der in Moores Heimatstadt Flint Autowerke schloss und die Produktion nach Mexiko verlegte. Trump zur Moderatorin: „Ich hoffe nur, er macht nie einen Film über mich.“ Jetzt hat er einen gemacht, „Fahrenheit 11/9“. Michael Moore gegen Donald Trump: Das hätte die große Abrechnung werden können, die Krönung eines Lebenswerks. Mit ihm wollte der schelmische Agitator das Volk nicht nur an die Kinokassen, sondern vor allem auf die Straße treiben.

Der Titel verweist auf „Fahrenheit 9/11“ von 2004, in dem Moore seine Geschütze gegen George W. Bush abfeuerte. Es war der erfolgreichste Dokumentarfilm der Geschichte. Was nun diese Woche in unsere Kinos kommt, wurde in den USA schon ab September als Munition für die Midterms verpulvert. Der Streifen erzielte eines der niedrigsten Einspielergebnisse in Moores Karriere. Und das muss uns leider nicht wundern. Dabei beginnt es rasant. Der Regisseur spult die Ereignisse rund um „11/9“ ab, den Tag nach der Präsidentenwahl, als das Ergebnis feststand. Er zeigt, wie Spott und Euphorie in stummes Entsetzen drehten.

Es muss immer die Apokalypse sein

Aber dieses Archivmaterial kennen wir. Seitdem hören wir jeden Tag von neuen Wahnsinnstaten des 45. US-Präsidenten. Moore muss also zur großen Erzählung ausholen, die den Untergang erklärt. „Wie zum Teufel konnte das passieren?“, fragt er am Ende des Einstiegs. Dazu liefert er nicht nur eine Antwort, sondern hundert. Die Kassandra aus dem Off verzettelt sich in einer Jeremiade, dem inkongruenten Wortschwall eines linken Wutbürgers. Die Themen springen hin und her, die Übergänge sind holprig, das Ganze ohne Dramaturgie und Spannungsbogen. Statt um Trump geht es wieder um die Provinzstadt Flint und ihre Wasserkrise. In Moores Version: Der republikanische Gouverneur von Michigan hat den Bewohnern der verarmten Stadt 2014 das saubere Wasser abgedreht, sie einer verseuchten Brühe mit todbringendem Blei ausgesetzt.

Wir rutschen im Kinosessel unruhig hin und her. Wohl wissend: Moore dreht keine ausgewogenen Dokus, sondern Propagandastreifen. Er überspitzt, überdreht, mischt Aufdeckung mit Halbwahrheiten und Auslassungen. Das zeigt sich auch hier, beim kurzen Blick in die Wikipedia. Moore braucht mehr als Fakten. Alles muss sich, mit dem Weinen von Kindern und düsteren Klängen unterlegt, zur Apokalypse fügen.

„Was noch kein Terrorist geschafft hat“, sei hier einem Politiker gelungen: „eine ganze Stadt zu vergiften“. Wo mehrheitlich Schwarze wohnen, weshalb schnell das Wort „ethnische Säuberung“ fällt. Was das mit Trump zu tun hat? Der rassistische Präsident habe sich seinen Freund, den Gouverneur, zum Vorbild genommen. Er wolle also, wird unausgesprochen suggeriert, die Afroamerikaner ausrotten. Sollte Trump auch diesen Film gesehen haben: Hier durfte er erleichtert lachen. Wer ähnlich monströse Unterstellungen wie er selbst verbreitet, ist keine Gefahr. Umso mehr, als es Moore vor allem darum geht, Demokraten zu verteufeln. Die kühne These: In Wahrheit sind die meisten Amerikaner weit links, Feinde des Kapitalismus, wobei man die 100 Millionen Nichtwähler flugs fürs eigene Lager reklamiert. Aber das demokratische Establishment, vom Großkapital korrumpiert, unterdrückt die Stimme des Volkes. Auch „New York Times“ und „Washington Post“ zählen in Moores manichäischer Weltsicht zum Bösen.

Die Schüler stehlen ihm die Show

Die Echokammer wird damit ziemlich eng, dafür hallt die Panik umso lauter. Trump aber kann frohlocken: Statt die Reihen gegen ihn zu schließen, einen Feind, auf den sich alle einigen können, reibt sich der Gegner in Flügelkämpfen auf. Und dann diese Töne: Die Globalisierung ist des Teufels, das System verdorben, die Eliten betrügen ein Volk, das sich erheben soll – das sagt Trump ja alles selbst! Und bietet sich, anders als der clowneske Filmemacher, als Anführer an.

Viel zu spät geht es auch Moore um den angehenden Autokraten, der die Demokratie bedroht. Wieder greift er zum Vorschlaghammer, wenn er Trumps Worte Hitler in den Mund legt, als Playback für eine Nürnberger Parteitagsrede. Soll sein, zumal er auch kluge Forscher zu Wort kommen lässt. Aber wieder haut er alles kaputt, wenn er dunkel raunt: Der Anschlag von 9/11 war wie der Reichstagsbrand, durch den die Nazis ihre Machtergreifung legitimierten. Willkommen in der schwarzen Blase der durchgeknallten Verschwörungstheoretiker!

Was Trump für den Rest der Welt bedeutet, ist Moore keinen Halbsatz wert. Auch er sieht nur Amerika. Was die Trump-Wähler bewegt, an Bosheit und vielleicht auch Bedenkenswertem, interessiert ihn keine Sekunde. Aber er macht ein wenig Hoffnung: Der Widerstand von unten regt sich. Dass der Kongress bunter wird, dass junge Frauen an die Macht drängen, hat sich bewahrheitet. Vollends die Show stehlen dem Regisseur die Schüler, die nach dem Massaker an der Parkland High den Massenprotest gegen die US-Waffenpolitik organisierten. Fokussiert auf ihr Thema, mit glasklaren Argumenten und echter Emotion. Sie zeigen: Es braucht keinen Moore mehr. Es geht auch besser.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2019)

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