Brüssel für Ende des nationalen Vetos in der Steuerpolitik

EU-Kommissar Pierre Moscovici.
EU-Kommissar Pierre Moscovici.(c) REUTERS (CHRISTIAN HARTMANN)
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Die EU-Kommission legte einen Vorschlag für eine grundlegende Reform vor. Mit ihr wäre die europaweite Digitalsteuer trotz Ablehnung einzelner Mitgliedstaaten durchsetzbar. Auch das EU-Parlament bekäme eine Mitsprache in Steuerfragen.

Brüssel. Während einige europäische Regierungen die nationale Souveränität ausbauen und die Kompetenzen der EU beschränken möchten, will die EU-Kommission in einem zentralen Politikfeld gemeinsame Lösungen erleichtern: in der Steuerpolitik. Sie war bisher das sakrosankte Gebiet der Nationalstaaten. In der EU können Entscheidungen dazu nur einstimmig getroffen werden. Das Europaparlament ist von der Gesetzgebung ausgeschlossen.

Doch das soll sich ändern. Der zuständige EU-Kommissar Pierre Moscovici sprach am Dienstag von einem „politischen Anachronismus“, der zu rechtlichen Problemen und wirtschaftlichen Nachteilen beigetragen habe. „Mir ist bewusst, wie sensibel diese Thematik ist, aber das darf die Diskussion nicht beschränken.“ Viele Entscheidungen für mehr Fairness im EU-Binnenmarkt, für mehr Wettbewerbsfähigkeit, seien wegen der Blockade einzelner Länder über Jahre verzögert oder verhindert worden.

Das Reformpaket, das die EU-Kommission vorstellte, sieht einen schrittweisen Übergang zu Mehrheitsabstimmungen in der gemeinsamen Steuerpolitik vor. In einem ersten Schritt sollen lediglich der gemeinsame Kampf gegen Steuerbetrug und administrative Fragen ohne nationales Veto entschieden werden. Bis 2025, also im letzten Schritt, sollen allerdings auch Beschlüsse über die Einführung neuer europaweiter Steuern durch Mehrheitsentscheidungen möglich werden.

Ende von Blockaden und Erpressungen

Der Vorstoß kommt, nachdem sich die Mitgliedstaaten allein im vergangenen Halbjahr unter österreichischem Vorsitz in mehreren wichtigen Steuerfragen gegenseitig blockiert hatten. So kam trotz Bemühungen weder eine Finanztransaktionssteuer noch eine Digitalsteuer für Internetkonzerne zustande, weil einzelne Mitgliedstaaten aus rein nationalen Interessen die geplante Regelung aufgeweicht oder ein Veto eingelegt hatten. „Gerade bei der Digitalsteuer wäre ohne Einstimmigkeit eine echte europäische Lösung für die Tech-Konzerne möglich gewesen“, erinnert SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner. Ähnlich positiv äußerte sich ÖVP-Europaabgeordneter Othmar Karas zu den neuen Plänen: „Einstimmigkeit führt zu Blockaden, Erpressungen und Handlungsunfähigkeit. Wer eine bessere und handlungsfähigere EU will, muss die Beschlussmechanismen ändern“, so der voraussichtliche Spitzenkandidat der Volkspartei bei der Europawahl im Mai.

Die Stärkung der gemeinsamen Steuerpolitik ist heikel, weil sie bisher nationalstaatlich dominiert ist. Die EU-Kommission stellte deshalb am Dienstag klar, dass es nicht darum gehe, die Kompetenzen der Mitgliedstaaten in Steuerfragen zu beschneiden. Sie könnten weiterhin die Höhe etwa der Mehrwertsteuer oder der Körperschaftsteuer nach eigener Einschätzung festlegen oder auch nationale Steuern erlassen. Diese Souveränität würde allerdings „gepoolt“, um administrative Hürden zu beseitigen und den weiterhin bestehenden Steuerwettbewerb fairer zu gestalten. Deutlich wurde aber auch, dass es zu neuen gemeinsamen Steuern kommen kann, nämlich dort, wo dadurch andere Politikfelder der EU unterstützt würden – etwa die Klimapolitik oder die Kapitalmarktpolitik.

Moscovici argumentiert, dass ein Ende des nationalen Vetos in der Steuerpolitik ohne Vertragsänderung möglich wäre. In Artikel 48 des Lissabon-Vertrags ist die sogenannte Passerelle-Klausel verankert. Sie sieht vor, dass die EU-Regierungen per einstimmigem Beschluss einzelne Politikfelder in Mehrheitsentscheidungen überführen können. Mit dem Übergang soll auch das Europaparlament in die gemeinsame Gesetzgebung eingebunden werden. Die Steuerpolitik und die gemeinsame Außenpolitik sind die letzten Bereiche, in denen die EU-Abgeordneten lediglich Empfehlungen abgeben können. Ob die Reform zustande kommt, ist fraglich. Mehrere Länder, darunter etwa Irland, haben bisher auf ein nationales Veto in der Steuerpolitik beharrt. (wb)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.01.2019)

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