„Technofossils“ - versteinerte Kunststoffe haben die Erdoberfläche erkennbar verändert. Nun wollen Forscher die verursachten Probleme durch kreative Ideen bekämpfen, und so wird auch Plastikmüll zur wertvollen Ressource.
In Modemagazinen wie „Fashion“, „Vogue“, „hersmagazine“ oder „styleupyourlife“ wurde Plastik 2018 als „neues Trendmaterial“ gefeiert. Der Grund: Nicht nur das Traditionsunternehmen Chanel setzte auf Hüte, Taschen und Schuhe aus transparentem Kunststoff. Auch auf politischer Ebene ist ein anderer Trend zu beobachten: jener, Plastik aus dem persönlichen Leben möglichst weitgehend zu verbannen. So rief die Europäische Union eine Reihe von Strategien ins Leben, um die Umwelt zu schützen und Meeresmüll, Treibhausgasemissionen sowie die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Auch Österreich setzt Schritte gegen die überhandnehmenden Kunststoffe: Ab 2020 soll der Verkauf von Plastiksackerln gesetzlich verboten werden.
Die Verbote sollen nicht nur die Lebensräume von Tieren und Menschen schützen, sondern schaffen auch neue Möglichkeiten für Innovationen. Beispielsweise ermöglicht das digitale Wasserzeichen eine wesentlich bessere Sortierung und eine Rückverfolgbarkeit von Materialien. Laut der EU-Kommission wird auch die Erforschung von neuen Plastikmaterialien immer wichtiger. Diese sollen im Süß- und Salzwasser gänzlich biologisch abbaubar und für Umwelt wie Ökosysteme ungefährlich sein.
In anderen Ländern werden und wurden ebenfalls Versuche gewagt, Plastikabfälle umweltfreundlich zu recyceln und sie auf nützliche Weise in ihre Lebenswelten zu integrieren. Hier ein Überblick:
Plastikflasche als Straßenbelag
Die niederländische Baufirma KWS (Royal Volker Wessels Company) hat einen Straßenbelag aus recyceltem Kunststoff entwickelt. Am 11. September 2018 wurde in Zwolle der erste Radweg aus recycelten Plastikflaschen, Tassen und Verpackungen eröffnet. Die „Straße der Zukunft“ soll laut den Erfindern, Anne Koudstaal und Simon Jorritsma, zusätzlich leichter und langlebiger sein und zu 70 Prozent schneller gebaut werden können als herkömmliche Straßen.
Schon in den 1970er-Jahren wurden die flexiblen Eigenschaften von Polymeren in den USA genutzt, um Straßen beständiger gegen Witterungen und hohes Verkehrsaufkommen zu machen. Doch Projekte mit bis zu 50 Prozent höheren Kosten konnten sich nicht durchsetzen.
Indien erweiterte Jahrzehnte später das Konzept: 2001 streute der Wissenschaftler Rajagopalan Vasudevan zerkleinerten Plastikmüll über heißen Kies und hüllte die Steine in eine dünne Plastikschicht. Dann fügte er die kunststoffbeschichteten Steine zu geschmolzenem Teer hinzu. Mittlerweile gibt es in Indien mehr als 21.000 Kilometer Plastikstraßen, zirka die Hälfte davon liegt im südlichen Bundesstaat Tamil Nadu.
Aus Kunststoffmüll wird Öl
In Japan will Akinori Ito durch thermische Zersetzung den Plastikmüll zum Treibstoff der Zukunft machen. Der Erfinder hat eine Maschine entwickelt, die mit haushaltsüblichen Plastikabfällen gefüttert wird und diese in Öl umwandelt. „Der Kunststoff beginnt zu schmelzen und wird flüssig. Nachdem die Flüssigkeit zu kochen begonnen hat, steigt das Gas auf. Wasser kühlt das Gas ab und wandelt es in Öl um”, erläuterte Ito erstmals 2009 in einem YouTube-Video und betonte darin die Umweltfreundlichkeit seiner Errungenschaft: „Aus einem Kilogramm Kunststoff können Sie einen Liter Öl herstellen.” Allein durch Hitze und Elektrizität könnten so 80 Prozent der CO2-Emissionen vermieden werden, und stattdessen wird eine wertvolle Ressource gewonnen, die zu Benzin, Diesel oder Kerosin verarbeitet werden kann.
Plastik als Luftfahrtmaterial
Laut dem Fertigungsspezialisten Imtiaz Rastgar können mithilfe der Nanotechnologie Kunststoffe hitzebeständiger, flexibler, leichter und langlebiger gestaltet werden. Diese Hochleistungskunststoffe sollen auch in Zukunft die Luftfahrtindustrie optimieren, sodass Aluminium schrittweise ersetzt werden kann und dadurch Gewicht sowie Energie gespart werden können, heißt es auf der Website des Unternehmers.
Ein Weg, von dem auch Nils Stoll, Geschäftsführer der Kunststoffverarbeitungsfirma Krüger Aviation, überzeugt ist. "Wer hätte gedacht, dass Airbus aktuell diskutiert, den Rumpf eines Flugzeugs aus Thermoplast statt aus Metall herzustellen?", sagte er im November 2018 anlässlich der Plastic Aviation Conference gegenüber dem Branchenportal airliners.de. Besonderes Augenmerk legt der Zulieferer auf Serienbauteile aus dem 3-D-Druck-Verfahren wie Sauerstoffbehälter, aus denen im Ernstfall die Masken herausfallen. Und das sei erst der Anfang: "Mittlerweile gibt es bei den großen Flugzeugbauern Chefeinkäufer für Kunststoffe, was vor fünf Jahren noch nicht der Fall war."
Mit ein Grund für diese Entwicklung sei freilich der Preis: Große Hersteller wie Airbus und Boeing würden ihre Ausgaben beim Flugzeugbau am liebsten um rund 30 Prozent reduzieren, meinte Stoll. "Dies spricht dafür, dass Kunststoff seinen Siegeszug gerade erst begonnen hat."
Österreichisches Bioplastik
In Österreich versuchen Forscher, mit Gentechnik neue Rohstoffe für die Industrie aufzubereiten, sodass die positiven Eigenschaften von Kunststoffen ohne negative Folgen genutzt werden können. Wissenschaftler des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (Acib) arbeiten etwa gemeinsam mit Experten des Departments für Biotechnologie der Universität für Bodenkultur an neuen Rohstoffen für Bioplastikarten, die keine schädlichen Auswirkungen auf die Umwelt mit sich bringen.
Einer von ihnen ist Diethard Mattanovich. Der Biotechnologe forscht seit 15 Jahren an biobasierten Rohstoffen für die Kunststoffherstellung. Mittlerweile können aus dem Schimmelpilz Aspergillus Rohstoffe wie Acotinsäure und Itaconsäure gewonnen werden; Plastik auf Milchsäurebasis wird mithilfe von Hefekulturen hergestellt.
Mattanovich ist überzeugt: Die Anforderungen an Kunststoffe sind sehr vielfältig, daher wird es in Zukunft je nach Einsatz unterschiedliche biobasierte Plastikarten geben, die aus verschiedenen Rohstoffen stammen und unterschiedliche Eigenschaften haben. „Im Grunde kann man alle Produkte herstellen, die derzeit auf Erdölbasis hergestellt werden”, meint der Experte.
Anhand der Entwicklungen seien diese neuartigen Produkte durchaus machbar, für den industriellen Maßstab werden die Prozesse aber erst entwickelt, sobald es Käufer dafür gibt.
"Technofossile" - den Innovationen zum Trotz
Ob die Visionen der Forscher, wonach in Zukunft kein erdölbasiertes Plastik mehr hergestellt werden soll, Wirklichkeit werden, wird sich zeigen. Doch auch wenn es gelingt, ihre Spuren dürften noch in Generationen zu finden sein: In einer 2014 an der University of Leicester veröffentlichten Studie vermuten Jan Zalasiewicz und ein Team aus internationalen Wissenschaftlern, dass die fossilen Auswirkungen des vom Menschen produzierten Plastikmülls so gewaltig sind, dass diese „Technofossils” auf dem Plan dauerhaft sichtbar bleiben werden. Geologen sprechen deshalb vom 21. Jahrhundert bereits als „Zeitalter des Plastiks“.
Das versteinerte Plastik entsteht, wenn sich Kunststoffe mit Sand, Kieselsteinen, Korallen oder Holz verbinden oder in Hohlräume von größeren Gesteinen eindringen. So bilden sich steinplastische Hybride, die in geologischen Aufzeichnungen den Planeten dauerhaft markieren. Diese in Gesteinen konservierten Plastikfossile werden laut führenden Wissenschaftlern auch nach Millionen von Jahren als Erinnerung an die Verschmutzung in den Gesteinsschichten sichtbar sein.