Kitzbühel: Mehr als nur Streif

Modern. Das Berghaus Tyrol am Hahnenkamm stammt von 1927.
Modern. Das Berghaus Tyrol am Hahnenkamm stammt von 1927. (c) Mühlbacher Torsten (Torsten Muehlbacher)
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Kitzbühel ist nicht bloß Hahnenkammrennen und Promiort. Es lohnt ein Blick in die Vergangenheit der legendären Skistadt.

Das Kapital in Kitzbühel zeigt sich gern. Es ist offensichtlich, medien-öffentlich. Die teuren Chalets, die ausgehtauglichen Skijacken, die schönen Gäste der jodelnden Wirtin, die überwältigten Sieger der schwierigsten Prüfung im Skiweltcup. Ja, so kennt man Kitzbühel als Klischee, und wahrscheinlich machen sich nicht alle darüber Gedanken, woher das kommt. Schadet aber nicht. Das wahre Kapital der Stadt ist nämlich kein frisch gedrucktes, fesch geschminktes und auch kein importiertes.

Eine Stadtführung vom Museum in der Hinterstadt bis zum Friedhof übers Gries und durch die Vorderstadt kann die Erfolgsgeschichte Kitzbühels ein wenig näher beleuchten. Und es macht Spaß, wenn der Guide, in diesem Fall Pepi Treichl, nicht nur historische Tatsachen schildert, sondern auch mit einer sportlichen Einlage veranschaulicht, worauf es bei der Hahnenkamm-Abfahrt (am 26.  Jänner) ankommt: auf den „Haxenzucker", sprich, das Bein ganz kurz anheben und die Welle wegdrücken. Vielleicht findet diese Vorführung dann auch gleich vor der Pfarr- und Liebfrauenkirche statt (quasi der Kitzbüheler Canaletto-Blick), wo Treichl dann noch das Waldhorn auspackt und einen Jodler spielt: Eine elegante Kurve von der Gegenwart in die Geschichte. „Wir haben Erfahrung in 1000 Jahren Tourismus", sagt der Einheimische.

Berühmt. Die Schauseite Kitzbühels mit Liebfrauen- und Pfarrkirche.
Berühmt. Die Schauseite Kitzbühels mit Liebfrauen- und Pfarrkirche. (c) Michael Werlberger/Kitzbuehel Tourismus

Eigentlich mehr als das, zumal die Römer unter Augustus 15 v. Christus in das Gebiet kamen. Hier trafen sie auf die Vorarbeiten der Illyrer, die bereits seit einem Jahrtausend in diesen sanften, zugänglichen Bergen Kupfererz geschürft hatten. Die Gegend wurde schließlich Teil von Noricum. Als während der Zeit der Völkerwanderung dann die Bajuwaren vordrangen, war das die Vorhut für all die Epochen später, in denen das Unterland zwischen Bayern und Tirol hin und her gedealt wurde. Das erklärt vielleicht auch, warum sich heute halb München so heimisch in der Gamsstadt fühlt, ja halt wie Einheimische.

Frühe Wertschöpfung. Die Lage jedenfalls war ein Privileg, denn „Kitzbühel immer ein Grenzort und strategisch wichtig, weil der Handelsweg nach Venedig über den Felbertauern führte", erklärt der Guide. Folglich kamen viel Wegzoll und Steuer bei den Stadttoren (von denen heute nur mehr das Jochberger Tor existiert) he­rein und konnten sich die Bewohner im 15. Jahrhundert den Luxus eines Bürgerspitals leisten. Sie errichteten, obwohl sie nicht viele waren, gleich sechs Kirchen, auch froh, die Pest überstanden zu haben. Das aufstrebende Klima brachte im 17. Jahrhundert Künstler wie die Familie Faistenberger hervor, Maler, Bildhauer, Komponisten, wovon etwa der prächtige Hochaltar in der Pfarrkirche zeugt.

Mit Geschick konnte man hier sich immer wieder den Vereinnahmungen entziehen oder sich damit arrangieren. Offensichtlich sah man sich so wenigen Bedrohungen ausgesetzt, dass es keine hohe Stadtmauer brauchte. Kitzbühel konnte sich ausdehnen und in die Tiefe wachsen. Sprich: Betritt man eines der bunten Häuser fußläufig von der Vorderstadt, steht man zur Gries-Seite im dritten Obergeschoß oder höher. An mehreren Stellen dieser mächtigen bürgerlichen Zeugnisse stechen kleine Durchgänge von der Hauptachse der Altstadt hinunter in den neueren Stadtteil. „Schaut da oben", deutet Treichl auf eine große Tür unterm Giebel. „Durch diese Tore wurden die Lebensmittel in den Häusern eingelagert."

Kräftig. Die bunten Fassaden der Vorderstadt gehen auf Alfons Walde zurück.
Kräftig. Die bunten Fassaden der Vorderstadt gehen auf Alfons Walde zurück.(c) Tirol Werbung

Ursprünglich waren die Häuser weiß, bis Alfons Walde, Kitzbühels bekanntester Künstler, sie in den 1920ern mit diesem Signature-Farbcode versah. Eine Reverenz an barocke Farbgestaltung. Ikonisch, wie auch andere Arbeiten Waldes, die das Bild von Kitzbühel und seiner Berge in der Welt geprägt haben. Waldes großartige Darstellungen von Schnee, Landschaft und bäuerlichem Leben sind omnipräsent (weniger die Akte) – nicht nur in der Sammlung im schönen Museum, im Ferdinandeum in Innsbruck und auf internationalen Auktionen versammelt, sondern bedauerlicherweise auch in Form vieler Kopien. Doch Waldes Sujets wurden schon früh werbewirksam vermarktet, als Postkarten, als Plakate. Und die Gams, die heute Skiclub, Rennen und Touristik ziert, hat Walde angeblich mit einer schnellen Eingebung abstrahiert.

Ja, die Gams, eigentlich ein Kitz? Um den Namen Kitzbühel ranken sich Theorien: Die simpelste ist die Übersetzung der Darstellung am Wappen: eine Gams auf drei Hügeln. Doch wahrscheinlicher hat der Name mit einem gewissen Chizzo zu tun, der 1178 in einer Chiemseer Urkunde auftaucht.

Kupfer und Knappen. Bergbau hat den Ort auf eine feste wirtschaftliche Basis gestellt. Lagen die ersten Förderstätten noch einwärts des Leukentals, begann man im 15. und 16.  Jahrhundert auch andere Berge wie den Hahnenkamm wegen Silber zu durchlöchern. Stollen liegen bis 900 Meter unter Tag, in Summe vier Kilometer. Zugang gibt es heute noch im Schaubergwerk Kupferplatte in Jochberg, neun Kilometer südlich von Kitzbühel (im Bergbaumuseum oben im Dorf kann man sich anschauen, wie schwer die Unterlandler dem Berg das Metall abgerungen haben). Auch der Pulverturm am Fuß des Hahnenkamms ist ein Relikt, 1509 errichtet, er diente als Lager für den Bergbau Sinwell. Für das äußere Erscheinungsbild war der 1926 aufgegebene Bergbau ebenfalls prägend, denn durch seinen Holzbedarf wurden viele Waldflächen gerodet – und die freien Flächen wiederum als Alm genutzt. Das zweite Standbein, auf dem der Wohlstand Kitzbühels ursprünglich gründet, ist die Landwirtschaft. „Auf unseren Bergen sind im Sommer an die 12.000 Kühe", erklärt Treichl. Nach wie vor gibt es viele Bauern in der Gegend, die vor allem Milchwirtschaft betreiben und dafür sorgen, dass die Flächen nicht zuwachsen, auf denen dann mancher Skifahrer unterwegs ist.

schlicht.
schlicht. (c) Ferdinandeum/ Wolfgang Lackner

In den vergangenen 125  Jahren ist Kitzbühels Geschichte eine fast unterbrechungsfreie Erfolgsstory in Sachen Fremdenverkehr und Immobilienwirtschaft. Der Aufstieg zum Ziel einer vermögenden und/oder prominenten Klientel beginnt mit der Erschließung der Bahn um 1875. Aber spätestens 1893, als Franz Reisch, der Ski- und Hotelpionier, am Kitzbüheler Horn erste hochalpine Skiabfahrten unternahm. Es folgten große Hotelbauten (wie das Grand Hotel), die Errichtung der Hahnenkammbahn 1926 und die erste touristische Erschließung auf den Bergen.

An diesen Objekten zischt der Skifahrer oder Winterwanderer am Hahnenkamm gern vorbei. Ohne Blick für die 1930er-Jahre-Architektur der Hahnenkammstation von Alfons Walde, der nicht nur ein begnadeter Maler, sondern auch ein guter Planer war. Ohne Blick auch für das kleine Holzhaus von Clemens Holzmeister von 1930 – ein schönes Beispiel für den modernen Funktionalismus ohne Bruch mit dem Traditionellen. Nach solchem Vorbild sollten wohl noch mehrere Häuser entstehen – doch deren Umsetzung wurde von der Zeit überholt. Einer, die für viele Orte eine Zäsur bedeutete. Auch für Kitzbühel.

Compliance: Die Reise erfolgte auf Einladung von Kitzbühel Tourismus

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Infos

Anreise: In Kitzbühel braucht man kein Auto. Mit den ÖBB kommt man gut hin. Ab Wien: in Wörgl umsteigen. www.oebb.at


Anschauen: Sammlung Alfons Walde im Museum Kitzbühel in der Hinterstadt, www.museum-kitzbuehel.at

Am Hahnenkamm: Über den Winterwanderweg von der Bergstation aus den 1920er-
Jahren zur Kapelle von Clemens Holzmeister (1960), vorbei am Berghaus von Clemens Holzmeister und ins Berghaus Tyrol (Gasthaus!), ein Bau von Alfons Walde, www.berghaustirol.at


Skifahren: www.kitzski.at

Infos: Kitzbühel Tourismus, www.kitzbuehel.com

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