Freiwilligenarbeit: Katastrophenhelfer fordern Kompensation für Firmenchefs

APA/EXPA/DOMINIK ANGERER
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Österreich ist ein "Land der Freiwilligen". Das haben die vielen freiwilligen Einsätze von Feuerwehren und Bergrettern bei der Bewältigung des Schneechaos eindrucksvoll gezeigt. Freilich: Nicht immer können Ehrenamtliche so einfach ihren Arbeitsplatz verlassen.

Tausende Menschen haben bei den heftigen Schneefällen in Österreich Freiwilligenarbeit geleistet. Unentgeltlich haben sich die Helfer freigenommen und dabei auf die Kulanz des Arbeitgebers hoffen müssen. Nicht immer können Ehrenamtliche so einfach ihren Arbeitsplatz verlassen. Mehr Anreize für Unternehmenschefs und gute Rahmenbedingungen für Helfer im "Land der Freiwilligen" wurden gefordert.

Allein bei der Freiwilligen Feuerwehr waren beim Katastrophendienst gegen die Schneemassen in den vergangenen Wochen mehr als 40.000 Helfer im Einsatz, sagte der Sprecher des Bundesfeuerverbandes, Andreas Rieger. Kein leichtes Unterfangen, da der Einsatz Tag und Nacht überregional gewährleistet sein musste und er über einen längeren Zeitraum ging. Dass da ehrenamtlich Tätige so einfach von ihrem Arbeitsplatz weg konnten, ist dem Entgegenkommen der Arbeitgeber zu verdanken. "Das funktioniert recht gut, doch es soll ja auch weiter funktionieren", bemerkte Rieger an.

Schaut man sich etwa das System der österreichischen Freiwilligen Feuerwehren an, dann umfasst dieses 340.000 Mitglieder, die meisten - 256.000 - seien aktiv tätig, betonte Rieger. Der hohen Anzahl von FF-Angehörigen sei es zu verdanken, dass der Hilfsdienst stets aufrecht gehalten werden kann - egal, ob es sich um kleine Brände oder einen Katastropheneinsatz handelt. Das System in Österreich sei - ähnlich wie in Deutschland, Südtirol, Liechtenstein oder in Tschechien - gut aufgestellt. "Da sind andere Länder schon neidisch, dass wir bei Bedarf so schnell helfen können", sagte Rieger. Denn nur in sechs österreichischen Städten - in Wien, Graz, Linz, Innsbruck, Salzburg und Klagenfurt - stünden Berufsfeuerwehren zur Verfügung.

"Freiwillige solle nicht benachteiligt werden"

Bei Einsätzen informieren die Leitstellen die Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehren, die dann aus der Freizeit oder eben aus dem beruflichen Umfeld in den ehrenamtlichen Dienst treten. "Das kann Stunden oder Tage dauern", sagte der Pressesprecher. Das ist Zeit, in der sie auf ihrem Arbeitsplatz fehlen. Um die Abkömmlichkeit der Berufstätigen zu kompensieren, forderte Rieger eine Art Förderung oder Belohnung für Firmenchefs. Er denkt etwa an Steuererleichterung oder Rückvergütungen. "Bei uns heißt es aber immer, Familie und Beruf gehen vor, erst dann kommt die Freiwillige Feuerwehr."

Auch soll es kein Problem sein, wenn sich freiwillige Helfer für einen neuen Job bewerben. "Dann soll es nicht heißen: 'Um Gottes Willen, der ist dann nicht verfügbar im Betrieb'", meinte Rieger. "Wir wollen nicht, dass der Eindruck entsteht, dass Freiwillige bezahlt werden, sie sollen nur nicht benachteiligt sein und vom Arbeitgeber unterstützt werden."

Ganz ähnlich sieht es sein Kollege, der Geschäftsführer vom Bundesverband der Bergrettung, Martin Gurdet. 12.700 Bergretter sind in ganz Österreich verfügbar. Nach einem Probejahr erst beginnt die drei- bis fünfjährige Ausbildung. Gelehrt werden neben Erste Hilfe auch Bergrettungstechniken für Bedingungen im Sommer, im Winter sowie auf Eis und am Gletscher. Ausgebildet werden Alpinisten mit Erfahrung. "Wir können da nicht bei Null anfangen", sagte Gurdet.

Tiroler Bergrettung: Freiwilligenarbeit fördere Motivation

Der Landesleiter der Tiroler Bergrettung, Hermann Spiegl, sieht Freiwilligenarbeit auch als Anreiz. Er selbst sei früher Unternehmer mit rund 70 Angestellten gewesen, von denen auch einige bei verschiedenen Organisationen als freiwillige Helfer tätig waren. "Wenn man seinen Angestellten hin und wieder freigibt und auf Einsätze gehen lässt, fördert das die Motivation ungemein. Ich habe immer nur positive Erfahrungen damit gemacht", merkte der Bergretter an.

"Es gibt sogar Firmen, die ihren Mitarbeitern erlauben, auf einen Einsatz zu gehen und den restlichen Tag als normalen Arbeitstag ausbezahlen", sagte der Landesleiter. Natürlich gebe es auch einige Unternehmen, die es nicht so gerne sehen, wenn ihre Mitarbeiter auf einen Rettungseinsatz gehen. "Wir versuchen aber, diese Unternehmen mit Positivbeispielen zu motivieren", so Spiegl.

Allen freiwilligen Helfern Sonderurlaub zu gewähren, sah Spiegl jedoch als zweischneidiges Schwert. "Ich als ehemaliger Unternehmer würde da auf Vorsicht plädieren", warnte der Landesleiter. Eine Folge davon könnte nämlich sein, dass Firmen davor zurückschrecken Personen einzustellen, die beispielsweise bei der Feuerwehr, der Rettung oder der Bergrettung als ehrenamtliche Mitglieder tätig sind. Eine einvernehmliche Lösung wäre laut Spiegl vorzuziehen.

(APA)

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