Amanshausers Album: Dead-End-Orte

Position. Taba liegt im „Vierländereck“ von Ägypten, Saudiarabien, ­Jordanien und Israel. ­Gehört zu Ägypten, das israelische Eilat ist nur sechs  Kilometer entfernt.
Position. Taba liegt im „Vierländereck“ von Ägypten, Saudiarabien, ­Jordanien und Israel. ­Gehört zu Ägypten, das israelische Eilat ist nur sechs Kilometer entfernt. Martin Amanshauser
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79 - Einst boten die Ostgrenzen unwirkliche Dead- End-Orte. Ich fand einen solchen am Roten Meer.

Grenzen sind unerfreuliche Wesen. Überall, wo sie in Europa wiederauferstehen, herrscht dieses öde Achtzigerjahre-Gefühl. Zum Dank fühlen sich einige hysterisierte Menschen „sicherer“. Eine Grenze jedoch, an der mir ein gewisser Sicherheitsbedarf einleuchtet, ist die am Roten Meer zwischen dem israelischen Eilat und der Halbinsel Sinai. Ich überquerte sie jüngst, überstand die sieben bis acht freundlich-­bestimmten Kontrollen erfolgreich und entrichtete auf beiden Seiten Gebühren in willkürlicher Höhe.

Jenseits von Israel liegt Taba, einst Beduinendorf, immer umstritten und erst seit zwanzig Jahren durch einen internationalen Schiedsgerichtsspruch zweifelsfrei ägyptisch. Der Sinai fungiert als Terroristen-Operationsbasis. 2004 töteten islamistische Selbstmordattentäter beim Hilton in Taba 34 Menschen, 2014 wurde ein Pilgerbus an der Grenze gesprengt, fünf Tote. Seitdem bleiben die israelischen Touristen aus.

Nachtouristische Ära

Taba im Jahr 2018 ist das, was Präsident Trump wohl als „shithole“ bezeichnen würde, eine Radiostation, ein netter Ramsch-Markt und ein durch Plastik, Dosen und einen rostenden Tank verdreckter Sandstreifen. Dahinter stehen Holzstangen, Wellblech- und Steinhäuser. Beim Entlanggehen am Strand ­halten mich zwei Wichtigtuer aus dem Slum auf und verlangen mit Drohgebärden allen Ernstes meinen „Passport“, so als könnten sie je irgendeinen Job ausfüllen – notgedrungen kehre ich ­fluchend um.

Taba verströmt den Geruch totaler Degradierung und Deprivation. Hier leben Menschen in einer nachtouristischen Ära. Einige legen herkömmliche Gastfreundlichkeit an den Tag, da sie es sich leisten können, andere haben aufgegeben. Man könnte nicht sinnhaft verlangen, dass sie ihren Müll aufräumen. Sie schwimmen in ihrer Misere, haben ­komplett andere Probleme, auf solchem ­Boden wachsen Niederlage und Hass. Direkt an Taba grenzt das Mövenpick Resort. Eine Aufschrift im Mitarbeiterbereich bringt die dortigen „brand signatures“ in Erinnerung, Tugenden wie „values/service ingredients/core behaviours/vision“. Wäre ich aus Taba, würde mir das intuitiv nicht einleuchten.

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