„Kunde ist König“ – ein Denkfehler

(c) Astrid M. Obert
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Service sollte immer Thema sein, nicht nur, wenn etwas schiefgelaufen sei, sagt Sabine Hübner. Das gelte auch für Unternehmen, die sich nicht für Dienstleister halten.

Wer Philippe von Belgien oder Felipe VI. von Spanien zu seinen Abnehmern zählt, kann sagen: „Der Kunde ist König.“ Allen anderen rät Sabine Hübner, sich von dieser Phrase und von diesem Bild zu verabschieden. Denn es signalisiere ein Gefälle und damit Schieflage und spiele die Bedeutung von Service hinunter. Die gebürtige Oberösterreicherin, die mit ihrem Beratungsunternehmen in Düsseldorf ansässig ist, befasst sich seit Jahren mit Service und Kundenzufriedenheit und sieht Servicierende und Servicierte auf Augenhöhe.

„Gutes Service für die Kunden ist ein Service für mich selbst“, sagt Hübner. „Liefere ich gutes Service, geben die Kunden auch viel zurück.“ Da mache die Arbeit gleich ein wenig mehr Freude. Das sei ein Wechselspiel. Eines, das sich aufschaukle. „Serviceglück“ nennt Hübner das.

Damit es sich einstellen kann und Dienstleistung zu etwas Besonderem wird, das Eindruck hinterlässt, braucht es dreierlei: 1. ein zielgruppengerecht abgestimmtes Servicekonzept, das die Kernleistung bereichert, 2. durchdachte Serviceprozesse, die Kunden das Leben erleichtern, 3. Menschen, deren Empathie Kunden in Erinnerung bleibt.

Persönlich, wenn es wichtig ist

In der Vergangenheit, sagt Hübner, sei der Fokus stark auf die Prozesse gelegt worden, „das führte zu verlässlicher Qualität“. Heute allerdings wollen Kunden persönlicher angesprochen und behandelt werden. Das heiße nicht, dass Chatbots nicht zum Einsatz kommen sollen: „Es kommt auf das Thema an. Bei einer kritischen Frage an die Krankenversicherung ist der menschliche Ansprechpartner im Sinne der Servicequalität sicher besser.“

Hübner sieht Servicekultur als fortwährenden Prozess. Eine der Kernfragen dabei ist: Wo suchen Menschen mit wem wie Kontakt, und wie wichtig ist der Faktor Empathie? „Mitarbeiter brauchen Freiraum, das entsprechend entscheiden zu können.“ Das erfordere Führungskräfte, die Servicequalität nicht nur in quantitativen Kennzahlen denken und den Druck, der damit verbunden ist, nicht eins zu eins an ihre Mitarbeiter weitergeben. Das erfordere auch Führungskräfte, die mehr wollen, als den Mitarbeitern nur einzubläuen: „Du musst freundlich sein, damit der Kunde wiederkommt.“

Was nicht heißen soll, dass Kennzahlen – quantitative genauso wie qualitative – gänzlich unbedeutend wären. „Kennzahlen sind immer ein Anlass für Führungskräfte, mit den Mitarbeitern in Kontakt und ins Gespräch zu kommen“, sagt Hübner und rät, Kennzahlen zu interpretieren, den Hintergrund zu erklären und auch, warum alle von besserem Service profitieren. Denn nur weil die Kennzahlen erfüllt sind, heißt das noch lang nicht, dass die Kunden auch zufrieden sind. Kennzahlen sind damit ein Aufhänger für coachende Begleitung.

Schließlich ist ein großes Ziel, aus Kunden loyale Kunden zu machen: solche, die freiwillig bleiben, die wiederkommen oder wieder kaufen und das Unternehmen weiterempfehlen.

Ihrer Meinung nach sind daher auch Kundenzufriedenheit und Employer Brand untrennbar miteinander verbunden. Etwas, was viele Unternehmen noch nicht verstanden haben, sie schwärmen weiter in Hochglanzbroschüren von ihrer Arbeitgebermarke – ohne dass die Schwärmerei etwas mit der Realität zu tun hätte. Wer das durchschaut, empfiehlt einen Arbeitgeber ja auch nicht weiter.

Täglicher Magic Moment

Wichtig ist daher, jeden Tag über Service zu sprechen, und zwar in jedem Unternehmen. Denn jedes hätte irgendwelche Serviceleistungen zu erbringen, ohne Ausnahme. Und Hübner meint tatsächlich „jeden Tag“, nicht nur dann, wenn im Service etwas schiefgelaufen ist. Servicehaltung habe eben auch viel mit Reflexion zu tun; Reflexion öffne den Blickwinkel.

Hübner nennt zwei Beispiele für Fragen, die beim täglichen Nachdenken über Service helfen können: „Welches positive Feedback haben wir heute bekommen?“ und „Welchen Magic Moment haben wir heute erlebt?“

Wer darauf Antworten findet, dürfte rasch viel Freude am Service haben – ohne einen König bedienen zu müssen.

Zum Thema

Service ist auch für Barbara Aigner (Emotion Banking) ein Thema. Sie entwickelte mit Christian Homburg (Universität Mannheim) ein Bewertungssystem für Servicequalität und vergibt jedes Jahr den Top-Service-Österreich-Award an Unternehmen mit exzellenter Serviceumsetzung. Die Anmeldung zum heurigen Wettbewerb ist noch bis Anfang März möglich.
Infos: hier. Auf dieser Seite findet sich auch ein Servicequalität-Selbsttest.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.01.2019)

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