Premierministerin May muss dem Parlament heute ihre nächsten Schritte vorlegen. Ein bilaterales Abkommen mit Irland wird wohl nicht zustande kommen. Brexit-Aufschub wird wahrscheinlicher.
London. Die Aussichten der britischen Premierministerin, Theresa May, auf einen Durchbruch in den Brexit-Gesprächen sind weiter unabsehbar, wenn sie heute das Unterhaus über ihren Plan B informieren muss. Nach einem Bericht der „Sunday Times“ hofft die Regierung in London, in einem bilateralen Vertrag mit Irland das Problem der inneririschen Grenze entschärfen zu können. Aus Dublin hieß es gestern jedoch nach Angaben von Sky News, darauf bestehe „absolut keine Hoffnung“. Und der irische Außenminister, Simon Coveney, erklärte: „Irland steht absolut zu dem Brexit-Abkommen.“ Irland werde weiterhin im Gleichschritt mit den EU-27 vorangehen.
Das britische Parlament hat diese Vereinbarung in der Vorwoche mit einer historischen Mehrheit abgelehnt und May bis heute Zeit gegeben, einen neuen Plan vorzulegen. Der neue Plan ist offenbar der alte – mit geringen Anpassungen. Zwar hat die Premierministerin nach überstandener Vertrauensabstimmung entgegen ihrer bisherigen Gepflogenheit der Opposition Gespräche angeboten. Substanzielle Änderungen gab es dabei aber offenbar nicht: „Parteiübergreifende Gespräche scheinen für sie zu bedeuten, dass sie anderen erklären kann, warum ihr Deal der beste ist und wie sie ihr helfen können, dafür eine Mehrheit zu bekommen“, sagte ein Oppositionsvertreter.
Das Parlament ist am Zug
Angesichts der anhaltenden Pattstellung wollen nun die Parlamentarier das Heft in die Hand nehmen. Dem Parlament sollen heute zwei Anträge vorgelegt werden, die durch eine Novelle des EU-Austrittsgesetzes die Gefahr eines harten Brexit entschärfen. Die erste Initiative der Abgeordneten Nicky Morgan von den Tories – gemeinsam mit den Oppositionspolitikern Yvette Cooper (Labour) und Norman Lamb (Liberaldemokraten) – gewährt der Regierung eine Frist bis 7. März, um eine neue Vereinbarung mit der EU zu treffen und im Parlament durchzusetzen. Schafft sie das nicht, muss sie in Brüssel um eine Verlängerung des Austrittsverfahrens nach Artikel 50 ansuchen.
Die zweite Initiative geht noch einen Schritt weiter und will dem Damoklesschwert eines drohenden Austritts am 29. März, wie er derzeit droht, durch Aussetzung des Gesetzes vorerst entgehen. „Das Erste, was wir machen müssen, ist zu verhindern, dass wir gleichsam irrtümlich in einen No-Deal-Brexit schlittern“, warnt der Autor des Gesetzesentwurfs, Ex-Generalanwalt Dominic Grieve. Genau das verweigert May bisher aber, nach Insiderberichten aus Angst vor dem Widerstand der Hardliner in ihrer eigenen Partei.
„Politischer Tsunami“
Die Regierung reagierte auf die Initiative der Abgeordneten „außerordentlich besorgt“. Handelsminister Liam Fox sprach von einem drohenden „politischen Tsunami, wenn ein Parlament, das mehrheitlich für den EU-Verbleib ist, einer Bevölkerung, die für den EU-Austritt gestimmt hat, den Brexit zu stehlen versucht“. Über die Zulassung der Gesetzesanträge entscheidet der Parlamentsvorsitzende John Bercow. Er hat sich schon mehrfach über Gewohnheitsrecht hinweggesetzt und das Interesse des Parlaments über jenes der Regierung gestellt.
Angesichts der Konfrontation will May einen sogenannten Feststellungsantrag einbringen, in dem nicht für oder gegen etwas gestimmt, sondern nur festgehalten wird, dass eine Debatte stattgefunden hat. May soll für die kommenden Tage auch Besuche in mehreren europäischen Hauptstädten planen. Unklar blieb weiterhin, was sie dabei vorlegen will, auch wenn ihr die deutsche Kanzlerin, Angela Merkel, zugesichert hat, sie wolle „bis zur letzten Minute alles für eine Vereinbarung geben“.
Eine Verschiebung des EU-Austritts bezeichnete gestern nicht nur Labours Brexit-Sprecher Keir Starmer als „unausweichlich“.
AUF EINEN BLICK
Heute, Montag, muss die britische Premierministerin Theresa May dem Parlament in London eine Erklärung über einen „Plan B“ für das abgelehnte Brexit-Abkommen vorlegen. Laut britischen Medien wollen mehrere Abgeordnete den Austrittsprozess vorübergehend stoppen.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.01.2019)