„It's the economy, stupid“ – wieder einmal

Die Frage, wie Großbritannien seine Finanzen wieder in den Griff bekommt, wird die Wahl entscheiden.

London. Nach 15 Jahren ungebremsten Wachstums steht Großbritannien heute vor einer wirtschaftlichen Trümmerlandschaft. Mit einem Rückgang des BIP um fast sechs Prozent erlitt das Land im Vorjahr den tiefsten Einbruch aller großen EU-Staaten und befinde sich „in der schwersten Krise seit 1929“, befand der Kommentator Larry Elliot.

Wenn sich Labour und die Konservativen nun am 6. Mai den Wählern stellen, geht es vor allem um Wege aus der Krise – wie einst bei Bill Clinton, dessen Leitspruch im Wahlkampf war: „It's the economy, stupid.“ Die Labour-Regierung rühmt sich, die Krise durch massive Staatsinterventionen ab Herbst 2007 aufgefangen zu haben. Unfassbare 850 Milliarden Pfund an Barausgaben ebenso wie an Garantien wurden lockergemacht, um den Zusammenbruch mehrere führender Bankhäuser zu verhindern. Heute sind die Royal Bank of Scotland, Northern Rock und die Lloyds Banking Group unter Kontrolle des Staates.

Hohe Neuverschuldung

Doch auch die Realwirtschaft musste gestützt werden. Großbritannien führte, wie viele andere Länder Europas auch, eine Verschrottungsprämie ein, um der notleidenden Autoindustrie zu helfen. Die Regierung macht Druck auf die Banken, die Wirtschaft weiter mit Krediten zu versorgen. Und die Bank of England hat 200 Milliarden Pfund auf den Markt geworfen, um die Liquidität der Banken zu verbessern.

All das hatte einen hohen Preis. Die Neuverschuldung betrug im abgelaufenen Budgetjahr 11,8 Prozent des BIP. Die Finanzmärkte und die Opposition warnen angesichts dieser Zahlen, und auch die Regierung räumt ein, dass „sehr harte Maßnahmen“ (Schatzkanzler Alistair Darling) unausweichlich seien, um die Neuverschuldung deutlich zu senken.

Der Streit zwischen den beiden Parteien ist nicht, ob gespart werden muss, sondern, wann damit begonnen werden soll. Die Konservativen wollen bei einem Wahlsieg innerhalb von 100 Tagen ein „Notstandsbudget“ (Schattenschatzkanzler George Osborne) vorstellen. Labour will dagegen erst ab 2011 mit den Einsparungen beginnen: „Man kann sich nicht aus der Rezession heraussparen“, sagte Darling kürzlich.

Bei der Frage, wo gespart werden soll, bleiben die Parteien vage. Verbindlich versprochen haben beide nur, das Gesundheitswesen und den Polizeidienst von Einsparungen auszunehmen. Politisch mag dies sinnvoll sein, ökonomisch ist es Unsinn: Das Gesundheitswesen schluckt mehr als 20 Prozent des Staatshaushalts. Entsprechend enger wird der Gürtel anderswo geschnallt werden müssen.

Krise ist nicht voll zu spüren

Worauf Labour setzt, ist, dass die Menschen das ganze Ausmaß der Krise bisher noch nicht zu spüren bekommen haben. Der niedrige Leitzinssatz, Lohnverzicht und staatliche Stützungsmaßnahmen haben die Arbeitslosigkeit weit weniger steigen lassen als befürchtet.

Zugleich ziehen sich zehntausende Briten aus dem Arbeitsmarkt vorübergehend zurück: Weiterbildungseinrichtungen haben Rekordanmeldungen für Lehrgänge, mit denen die Menschen hoffen, die Herausforderungen der Zukunft bestehen zu können. Politiker ist nicht unter den angebotenen Jobs.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.04.2010)

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