Winterzählung: Vogelsterben trifft die Amseln

Ein zunehmend seltenerer Gast: Aus jedem fünften Garten sind die Amseln wegen des Usutu-Virus verschwunden.
Ein zunehmend seltenerer Gast: Aus jedem fünften Garten sind die Amseln wegen des Usutu-Virus verschwunden. (c) REUTERS (Miro Kuzmanovic)
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Bei Amseln und Grünling gab es zuletzt krankheitsbedingt drastische Rückgänge, sonst geht es den Wintervögeln gut. Wie passt das mit dem Vogelsterben zusammen?

Wien. Es ist ein langer, harter Winter. Nicht nur für schnee- und kältegeplagte Menschen, auch für Wintervögel. „Der starke Schneefall beeinflusst das Auftreten heimischer Wintervögel massiv“, erklärt Gabor Wichmann, Geschäftsführer von Birdlife Österreich. „Wenn Vögel durch Frost und Schneedecke weniger Nahrung finden, drängen sie in Siedlungsräume.“

Zuletzt sah man dementsprechend, vor allem entlang der Nordseite der Alpen, mehr Wildvögel als gewöhnlich – auch beim Projekt „Stunde der Wintervögel“ wurden so viele Tiere erfasst wie noch nie. Mit dieser Wintervogelzählung erfasst Birdlife den heimischen Bestand von Wintervögeln. Heuer haben dabei am Dreikönigswochenende 12.783 Freiwillige innerhalb einer Stunde die Vögel in ihrem Garten gezählt.

Amsel verschwindet

Der Haussperling, besser bekannt als Spatz, war dabei heuer erstmals das meistgesehene Tier, in fast jedem zweiten Garten wurden im Schnitt zehn Spatzen beobachtet. Platz zwei ging an die Kohlmeise, dahinter landete der Feldsperling. In Summe wurden in jedem Garten im Schnitt 35 Vögel pro Stunde gezählt. Das Ergebnis ist jedoch zweigeteilt: Im schneearmen Osten und Süden sind fast keine Vögel zu den Futterhäuschen gekommen, in schneereichen Gebieten wurden so viele Tiere gezählt wie noch nie.

Auch, wenn die Zahlen wegen kurzfristiger Einflüsse schwanken, bei den Amseln ist der Rückgang dramatisch. Auch heuer: Die diesjährige Zählung meldete die niedrigste Anzahl an Amseln pro Garten seit Beginn der Wintervogelzählung vor zehn Jahren. In den vergangenen vier Jahren sei die Amsel aus jedem fünften Garten verschwunden. Der Rückgang liegt vor allem am aus Afrika stammende Usutu-Virus. Das führte bereits von 2001 bis 2005 zu einem Amselsterben, zwischen durch gab es Erholung. Seit vorigem Jahr wurden wieder mehr Fälle diagnostiziert, vor allem im Osten und Süden.

Dieses Virus trifft auch andere Vogelarten, zu einem Massensterben führt es aber nur bei Amseln, erklärt Birdlife-Ornithologe Norbert Teufelbauer. Die Amseln sind demnach heuer jene Art mit den dramatischsten Rückgängen. Lang war das bei den Wintervögeln der Grünfink: Das lag an der Vogelkrankheit Trichomoniasis. Bei dieser Krankheit, auch bekannt als Gelber Knopf, wurden sogar jahrelang Sichtungen von zehn oder 20 toten Vögeln gemeldet. „Ein Alarmsignal“, sagt Teufelbauer. Den aktuellen Zahlen nach ist der Abwärtstrend aber gestoppt. Ob die Erholung nachhaltig ist, lasse sich aber noch nicht sagen. Schließlich unterliegen die Daten auch kurzfristigen Einflüssen wie dem Wetter. „Schwankungen beruhigen da noch nicht.“ Bei den meisten Wintervögeln sei der Bestand aber stabil. In Summe gehe es den Wintervögeln gut.

Heißt das also Entwarnung im Hinblick auf das Vogelsterben? Stimmt es nicht (mehr), dass Wildvögel analog zu Insekten sukzessive aussterben? Hier müsse man unterscheiden, sagt Teufelbauer. Die typischen heimischen Wintervögel, die man bei Futterhäuschen und im Siedlungsgebiet beobachtet, sind davon weniger betroffen.

Das Vogelsterben, das auf den Einfluss von Menschen zurückgeführt wird, betreffe vor allem Arten im Agrarland. Hier ist der Rückgang teilweise dramatisch: Der Bestand der Feldlerche etwa ist binnen 20 Jahren um mehr als 40 Prozent geschrumpft, auf der Liste der betroffenen Arten finden sich auch Braunkehlchen, Kiebitz oder Grauammer. Die Gründe dafür sind ähnliche wie beim Insektensterben: die intensive Nutzung der Landschaft, vor allem in Kombination mit dem Einsatz von Pestiziden, zugleich gehen Lebens- und Bruträume wie Hecken, Grasstreifen oder Bäume verloren. (cim)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2019)

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