Die Weltelite als Protagonisten einer griechischen Tragödie

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Ausgerechnet Brexit- und „America first“-Nationalisten fehlen, wenn in Davos Strategien gegen den Rückfall in die Kleinstaaterei besprochen werden.

Jetzt sitzen sie in den Schweizer Bergen wieder zusammen, die Mitglieder der Weltelite aus Wirtschaft und Politik. Das heißt, nicht alle: Donald Trump etwa fehlt bei der Tagung des Weltwirtschaftsforums (WEF) ebenso wie Theresa May und Emmanuel Macron. Deren Länder repräsentieren ein Fünftel der globalen Wirtschaftsleistung. Die politische Bedeutung des Treffens der „Fools on the Hill“, wie Gegner das Spektakel despektierlich nennen, ist also nicht mehr das, was sie einmal war.

Aber nicht nur deswegen ist die Stimmung im mondänen Schweizer Bergort ein wenig gedämpft. Es seien „am Konjunkturhimmel da draußen viele dunkle Wolken“ zu bemerken, sagte etwa der Chef des Weltwirtschaftsforums, Børge Brende. Es gebe „geopolitische Verwerfungen, die die Welt vergiften“.

Wie wahr: Das Fernbleiben vieler politischer Schwergewichte hat unmittelbar mit diesen Verwerfungen zu tun. Damit nämlich, dass es im Getriebe der Globalisierung zunehmend knirscht und wichtige Volkswirtschaften, getrieben von populistischen Radikalnationalisten, den wachstumsschädlichen Weg zurück in die Nationalstaaterei gehen. Und gar nicht merken, welchen konjunkturellen Flurschaden sie damit anrichten.

Die nachlassende Konjunkturdynamik in Europa hat ja nicht nur damit zu tun, dass der Konjunkturlokomotive Deutschland der Dampf ausgeht und sie ihr Exportwunder innerhalb der Eurozone nur noch durch einen netten Selbstbetrug aufrechterhalten kann: indem sie nämlich Maschinen und Autos gegen zweifelhafte Target2-Forderungen eintauscht. Sondern auch damit, dass eine unfassbar dämlich agierende britische Politelite planlos in einen Brexit stolpert, der auf beiden Seiten des Ärmelkanals einen beträchtlichen konjunkturellen Scherbenhaufen zu hinterlassen droht.

Und dass China gestern einen deutlichen Wachstumseinbruch eingestehen musste, hat nicht nur, aber doch viel mit dem Handelskrieg zu tun, den der „America first“-Präsident vom Zaun gebrochen hat. Mit ungewissem Ausgang. Denn die noch laufende Konjunktur in den USA selbst wird ja mit einer historischen Schuldenorgie erkauft: Sechs Prozent Defizit und eine Staatsschuldenquote, die sich rapid von der 100-Prozent-Marke entfernt, und zwar nach oben, sprechen eine deutliche Sprache. Kein Wunder, dass IWF-Chefin Christine Lagarde gestern sehr drastisch vor Abschottung und hohen Staatsschulden gewarnt hat.

Allerdings hat die Schuldenmacherfraktion der Marke Trump jetzt Schützenhilfe von unerwarteter Seite bekommen. Olivier Blanchard, in den USA lehrender französischer Starökonom und Ex-Chefvolkswirt des IWF, hat die von linken Ökonomen unterdessen heftig beklatschte gefährliche These aufgestellt, dass Staaten bei der Verschuldung derzeit viel zu zurückhaltend seien: Solange die Zinsen unter der nominellen BIP-Wachstumsrate liegen, könnten sich Staaten nahezu unbegrenzt verschulden. Nachdem diese ihre Schulden gewöhnlich ja nicht zurückzahlen, sondern refinanzieren, sei nur die Zinsbelastung maßgeblich. Und diese sinkt, wie wir ja auch in Österreich sehen, in diesem Zinsumfeld auch dann, wenn die Schulden nominell steigen.

Das Teuflische daran: Die These stimmt. Aber nur so lang, wie das Wachstum stark genug ist. Das Modell benötigt also entweder ununterbrochenes Wachstum oder ewige Nullzinsen (mit der damit verbundenen enormen Umverteilung von unten nach oben).

Rutscht die Wirtschaft in die Rezession – und das erwarten die WEF-Experten spätestens in ein paar Jahren –, dann bricht das Kartenhaus zusammen. Denn die Notenbanken haben ihr Pulver weitgehend verschossen. Das ist dann das Modell Griechenland, aber auf globaler Basis. Die dabei drohende Wertvernichtung sollten wir uns nicht wünschen.

Derzeit rutschen wir aber wie in einer griechischen Tragödie auf einer schiefen Ebene genau in dieses Szenario hinein. Davos wird uns da kein Happy End bescheren. Schon deshalb nicht, weil die wichtigsten Protagonisten gar nicht dabei sind.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2019)

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