Davos: Weltwirtschaft im Retourgang

Am Dienstag beginnt unter strenger Bewachung Hunderter Polizisten das Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz.
Am Dienstag beginnt unter strenger Bewachung Hunderter Polizisten das Weltwirtschaftsforum in Davos in der Schweiz.(c) APA/KEYSTONE/LAURENT GILLIERON
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Zum 48. Mal treffen einander Politiker, Wirtschafter und Wissenschaftler im Schweizer Davos – unter schlechten Vorzeichen: Die Weltwirtschaft verliert stärker an Fahrt als erwartet, und die Elite ist gespalten wie selten zuvor.

Wien/Davos. Jahrzehntelang war das Weltwirtschaftsforum in Davos ein elitärer Hort Gleichgesinnter, die an einer gemeinsamen Welt bastelten. Die Spitzen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaften waren sich im Grunde einig, dass Globalisierung, Internationalisierung und Liberalisierung diese Welt zu einem besseren Ort machen. Selbst während der Jahre der Finanzkrise dominierte eine gemeinsame Weltsicht das Forum. Doch damit ist nun Schluss. Statt Globalisierung und eines gemeinsamen grenzenlosen Markts dominieren ein Handelskrieg zwischen den USA und China und der Brexit sowie andere protektionistische Entwicklungen die Weltwirtschaft. Chinesischer Staatskapitalismus und aufkeimender Nationalismus konterkarieren das liberale demokratische Modell. Die Elite in Davos ist gespalten. Und nun mehren sich plötzlich auch die Alarmsignale, dass es mit dem Wirtschaftswachstum rascher zu Ende geht als befürchtet.

Warum das am Dienstag beginnende Weltwirtschaftsforum in Davos unter keinem guten Stern steht:

1 Der Internationale Währungsfonds senkt die Prognosen dramatisch.

Es ist so etwas wie die Ouvertüre des Forums, wenn der Internationale Währungsfonds (IWF) seine Prognose zur Entwicklung der Weltwirtschaft bekannt gibt. Gestern war es wieder so weit. Und die Zahlen sind schlecht. Schlechter als befürchtet. Die Weltwirtschaft wird heuer nur um 3,5 Prozent und nächstes Jahr um 3,6 Prozent wachsen, nicht jeweils um 3,7 Prozent wie ursprünglich berechnet. Für Besorgnis sorgt vor allem, dass die großen Industrienationen sehr stark an Wachstumstempo einbüßen. In Deutschland steigt das Bruttoinlandsprodukt dieses Jahr um 1,3 statt um 1,9 Prozent, berechnet der IWF. Die Konjunktur in den USA profitiert noch von den umfangreichen Steuersenkungen der Regierung Trump, die Wirtschaft dürfte um 2,5 Prozent wachsen, nächstes Jahr um 1,8. Aber dann? „Die Expansion in den USA hält an, aber die Prognose geht von einer Abschwächung nach dem Auslaufen der fiskalischen Anreize aus“, heißt es im IWF-Bericht. China steht gar das schwächste Wirtschaftswachstum seit 28 Jahren ins Haus. „Eine globale Rezession steht sicher noch nicht vor der Tür“, versuchte IWF-Chefin Christine Lagarde zu beruhigen. Aber die Risken mehren sich.

2 Welche Konflikte und Probleme gefährden die Weltwirtschaft am stärksten?

Die größte Sorge bereitet den Ökonomen die hohe Verschuldung auf der Welt. Die meisten Staaten haben es nicht geschafft, ihren Schuldenstand zu reduzieren. Trotz Hochkonjunktur und niedriger Zinsen wächst der Schuldenberg. Zuletzt sorgten etwa Italien und Frankreich mit ihren Budgetzahlen für Aufsehen. Italien peilt ein Defizit von knapp zwei Prozent an, Frankreich – den Gelbwesten-Protesten geschuldet – gar 3,5 Prozent. Auch die Unternehmen, allen voran die amerikanischen, sind hoch verschuldet.

Am Donnerstag hält die Europäische Zentralbank ihre erste Zinssitzung in diesem Jahr ab. Dabei wird EZB-Chef Mario Draghi auf die eingetrübte Wirtschaftslage und die schwachen Konjunkturdaten eingehen. Der Chefökonom der Privatbank Metzler, Edgar Walk, meint: „Möglich wäre eine Ankündigung des EZB-Präsidenten, dass die EZB in den kommenden Monaten neue langfristige Refinanzierungsgeschäfte für die Geschäftsbanken bereitstellen wird.“

Nur wenige Wochen nachdem die EZB das Ende ihres 2,6 Billionen Euro schweren Anleihenkaufprogramms eingeläutet hat, könnte sie auch schon wieder zurückrudern.

3 Globalisierte Wirtschaft stößt vor allem in Europa auf Skepsis.

Als Zeichen gegen Nationalismus und Protektionismus sieht das Weltwirtschaftsforum das Ergebnis einer Umfrage, laut der die Mehrheit der Menschen in allen Regionen für eine stärkere Kooperation der Staaten eintritt. „Der überwältigende Wunsch der Weltöffentlichkeit ist, dass Führungspersönlichkeiten neue Wege der Zusammenarbeit finden“, sagte Forumsgründer Klaus Schwab. Tatsächlich stehen die Europäer stärkeren Kooperationen zwischen Staaten vergleichsweise skeptisch gegenüber. Während ein Mehr an Zusammenarbeit von 88 Prozent der Menschen in Südasien und Subsahara-Afrika begrüßt wird und sich 70 Prozent der Nordamerikaner dafür aussprechen, setzen nur 61 Prozent der Europäer auf stärkere staatliche Kooperation.

4 Prominente Absagen, umstrittene Politiker und ein paar Stammgäste.

Im Vorfeld des Weltwirtschaftsforums hagelte es vor allem prominente Absagen. Neben US-Präsident Donald Trump wird auch der französische Präsident, Emmanuel Macron, nicht in die Schweizer Berge kommen. Statt der britischen Regierungschefin wird ihr Finanzminister, Philip Hammond, kommen. Angesagt hat sich der chinesische Vizepräsident, Wang Qishan, er wird von einigen chinesischen Konzernchefs begleitet. Für Aufregung im Vorfeld sorgt das Kommen des neuen brasilianischen Staatspräsidenten, Jair Bolsonaro. Es ist der erste große Auftritt des Rechtspopulisten im Ausland. Hingegen kann man den früheren US-Vizepräsidenten Al Gore und Microsoft-Gründer Bill Gates als Stammgäste bezeichnen. Österreich wird durch Kanzler Sebastian Kurz und Außenministerin Karin Kneissl vertreten sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.01.2019)

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